Die Kristallhexe
Zukunft blicken lassen.«
Sandras Lächeln wurde noch verklärter, noch ... dümmer, dachte Cedric. Sie alle sahen dumm aus. Er erinnerte sich an den Verdacht, den Luca einige Tage zuvor geäußert hatte, dass die Küsse, die Sandra anderen aufzwang, ansteckend waren und diese seltsame Verklärung auslösten. Cedric erschien es immer wahrscheinlicher, dass er recht hatte.
»Erzähle uns von dem besten Morgen«, sagte Sandra. Sie sah zu Rimmzahn auf wie Betende auf mittelalterlichen Gemälden zu ihren Heiligen.
»Ja«, stimmten andere mit ein. »Bitte erzähle uns davon.«
Rimmzahns Lächeln war anders als das seiner Anhänger. Cedric sah keine Einfalt darin, sondern wache Intelligenz und Berechnung, aber ebenso Begeisterung. Er setzte sich auf einen umgestürzten Baumstamm und begann.
»Eines nahen Tages werden wir in einer neuen Welt erwachen ... in neuen Welten. Was heute getrennt ist, wird dann verbunden sein, was heute fremd ist, wird uns vertraut werden. Die Angst, die ihr spürt, jetzt in diesen schwachen Momenten, wenn die wahre Lehre euch fern erscheint, wird euch lächerlich Vorkommen. Der eine, unser aller Herr, der im Verborgenen lebt, wird sich erheben über die Welten und ihre Zügel in die Hand nehmen.«
»Wird er uns nach Hause bringen?«, fragte Gina.
»Natürlich wird er das. Die Sünder, die ihn hetzen wie ein Tier und versuchen, ihre blasphemischen Ansichten zu verbreiten, sind bei euch gescheitert. Er weiß, wer auf seiner Seite steht, und er spürt euren Glauben.«
Rimmzahn hielt inne. Sein Blick glitt über die versammelten Menschen. Jeden Einzelnen sah er nacheinander an. »Gina, weißt du noch, wie groß deine Angst war, wie oft du zusammengebrochen bist, weil dein Geist und dein Körper nicht in Einklang waren?«
Gina nickte und legte sich ergriffen die Hand auf den Mund. Tränen liefen ihr über die Wangen.
»Und du, Sandra. Hast du dich nicht jeden Tag mit deinem Vater gestritten?«
»Das ist vorbei. Obwohl ...« Das Mädchen zögerte. »Er sieht es nicht gern, dass ich hierherkomme.«
»Macht dich das traurig?«
Sandra schluckte, dann nickte sie langsam. »Ein bisschen schon.«
»Das sollte es nicht, denn es zeigt nur, wie weit du schon gekommen bist.« Rimmzahn stellte seinen Becher auf den Baumstamm und ergriff erneut Sandras Hand. »Zeige ihm immer wieder deine Liebe und deine Stärke, aber höre nicht zu, wenn er versucht, dich von deinem Glauben abzubringen. Da wirken Kräfte in ihm, die er nicht versteht und die er erst überwinden muss, so, wie wir alle hier es getan haben.«
Einige nickten. Rimmzahn machte eine kurze Pause. »Aber ich will nicht die Unwahrheit sagen. Es gibt Menschen, die so tief in dem Kerker sitzen, den sie mit Hass und Angst selbst erschaffen haben, dass niemand sie herausholen kann, egal, wie sehr man es möchte.«
»Mein Bruder?«, fragte Sandra.
»Vielleicht. Die Zeit wird es zeigen.« Rimmzahn räusperte sich. »Die Zeit ist es, auf die wir alle vertrauen sollten. Sie arbeitet für uns, denn je näher der Tag der Auflösung kommt, desto verzweifelter werden unsere Gegner werden. Wir werden sie mit Liebe besiegen und mit unserer Stärke. Immer mehr schließen sich uns an. Ich sehe, wie unsere kleine Gruppe mit jedem Tag wächst, und das bringt Freude in mein Herz. Feiert euch. Genießt eure Befreiung.«
Seine Zuhörer applaudierten. Einige umarmten einander oder schüttelten sich gegenseitig die Hände.
»Ihr seid die Auserwählten!« Rimmzahn hob die Arme. Er wartete, bis der Applaus verklungen war, bevor er fortfuhr: »Aber wir müssen wachsam sein. Es gibt manche, die uns aufhalten wollen und die Herrschaft des einen zu verhindern suchen. Ihnen müssen wir uns stellen, sie müssen stürzen. Ihr wisst, wer sie sind.«
Rimmzahns Blick fiel plötzlich auf Cedric. Der zuckte zusammen.
»Mein Freund, der Sucher«, sagte Rimmzahn. »Du kannst dich ruhig zu uns setzen. Es ist genug Essen für alle da.«
Alle Köpfe drehten sich in Cedrics Richtung. Er hatte geglaubt, man würde ihn im Schatten der Hütte nicht bemerken, aber das war ein Irrtum gewesen. Rimmzahns Anhänger betrachteten ihn mit einer seltsamen Mischung aus Einfalt und Misstrauen.
»Nein danke«, sagte er. »Ich habe bereits gefrühstückt.«
Cedric zog sich zurück. Er hatte genug gesehen. Die Blicke der Zuhörer stachen wie Messer in seinen Rücken, während er über den Platz ging und sich den Felshöhlen der Iolair zuwandte. Die Geräusche des Flüchtlingsdorfs hüllten
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