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Die Kristallhexe

Titel: Die Kristallhexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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tropfendes Geräusch. Sie fuhr herum und sah, wie sich an den Wänden und der Decke Wassertropfen bildeten, die wie Regen zu Boden fielen.
    »Halt!«, rief sie.
    Das Geräusch verstummte, die Tropfen verschwanden.
    Ich muss wohl etwas konkreter werden , dachte Angela. »Fülle die Waschschüssel mit Wasser«, sagte sie und eine Sekunde später, weil sie es so gewöhnt war: »Bitte.«
    Es gab kein Geräusch, keine Bestätigung ihres Befehls so wie in den Science-Fiction-Filmen, die ihr Sohn Luca ... Nein, denk nicht an ihn.
    Angela schüttelte den Gedanken ab. Sie trat an den Waschtisch und sah, dass sich die Schüssel gefüllt hatte. Das Wasser darin war kalt und klar.
    »Lege bitte Seife und ein Handtuch auf den Waschtisch!« Obwohl sie dieses Mal den Blick nicht von der Oberfläche nahm, sah sie nicht, wie die Dinge, die sie gefordert hatte, dort erschienen. Einen Moment lag dort nichts, im nächsten ein Stück Seife und ein ordentlich gefaltetes Handtuch.
    Daran könnte ich mich gewöhnen. Angela ging zurück in das große Zimmer. »Ich hätte gern eine Schale mit frischen Erdbeeren auf dem Tisch, eine Karaffe mit Gewürzwein und zwei Kelche.«
    Sie hatte kaum ausgesprochen, da standen die Sachen bereits da. Angela lächelte, setzte sich auf einen Stuhl und probierte die Erdbeeren. Sie waren saftig und süß. Während sie kaute, schüttete sie Wein in die beiden Kelche. Alberich hatte ihr nicht verboten, ihm zu folgen, und der Wein verschaffte ihr eine glaubwürdige Ausrede, ihn aufzusuchen.
    Aus einer Laune heraus wandte sie sich wieder an den Turm. »Lege einen MP3-Player auf den Tisch, bitte.«
    Nichts geschah. Sie wiederholte den Befehl, immer noch nichts. »Den neuen Stephen King«, sagte sie als Nächstes. Wieder nichts. Dann: »Einen Fernseher.«
    Im Zimmer veränderte sich nichts. Anscheinend, dachte Angela, als sie aufstand und mit den beiden Kelchen in der Hand zur Tür ging, konnte der Turm nur das besorgen - wie auch immer das geschah -, was er kannte.
    Oder was es in Innistìr gibt. Das warf die Frage auf, ob der Turm die Gegenstände, die sie verlangte, an anderer Stelle wegnahm oder sie neu erschuf. Musste jemand irgendwo auf seine Erdbeeren verzichten? Fragte sich gerade jemand überrascht, wieso sein Handtuch verschwunden war?
    Könnte ich sogar Menschen holen?, fragte sich Angela. Der Gedanke jagte ihr einen Schauer über den Rücken. Sie verdrängte ihn rasch, bevor er sich verselbstständigen konnte.
    Sie stieg die Wendeltreppe hinauf ins nächste Stockwerk, wo ein kurzer Gang in eine Tür mündete. Sie war geschlossen, dahinter schien es still zu sein. Angela drückte die Klinke mit dem Ellenbogen nach unten und stieß die Tür auf. Sie roch bereits altes Papier und den Staub der Jahrhunderte, bevor sie die Bibliothek sah.
    Beeindruckt blieb sie in der Tür stehen. Der Raum nahm die gesamte Fläche des Turms ein und schien sich bis unter das Dach zu erstrecken. Überall standen Regale, hoch wie Häuser, zwischen denen Hängebrücken und Stege entlangführten. Eine Wand wurde vollständig von einem großen Schriftrollenlager eingenommen, eine andere war zum Teil vergittert und mit Ketten und Vorhängeschlössern gesichert, so als wolle man das, was sich in den Büchern befand, nicht in die Welt lassen. Kreisrunde Lampen schwebten vor den Regalen, auf dem Boden waren farbige Linien eingezeichnet, die wahrscheinlich ebenso wie das Mosaik im Palast Morgenröte eine Karte darstellten. Angela stand in einer Stadt der Bücher.
    »Alberich?«, fragte sie leise, bevor sie über sich selbst den Kopf schüttelte. Die Jahre des Studiums hatten sie darauf konditioniert, in Bibliotheken nur zu flüstern. Es fiel ihr schwer, die Angewohnheit abzuschütteln.
    »Alberich?«, rief sie mit einiger Überwindung. Niemand antwortete, aber eine der Lampen schwebte heran und blieb vor ihr in der Luft hängen. Es sah aus, als wollte sie Angela führen.
    Und das tat sie auch. Angela machte einen Schritt nach vorn, und die Lampe wies ihr den Weg. Sie gingen durch Korridore aus Regalen, die gerade breit genug waren, um einem Menschen Platz zu bieten. Angela versuchte, die Zeichen auf den Buchrücken zu lesen, stellte jedoch nur fest, dass die meisten auf Latein oder Altgriechisch geschrieben waren - Sprachen, die sie erkannte, aber nicht zu lesen vermochte. Einige andere Buchrücken waren leer. Auf einem klebten tote Insekten. Angela schüttelte sich.
    Die Lampe geleitete sie an Strickleitern vorbei, die zu den oberen

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