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Die Kristallhexe

Titel: Die Kristallhexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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kreisrunder Raum, in dem eine Wendeltreppe nach unten und nach oben führte. Hinter Alberich stieg Angela die steinernen Stufen hinauf. Immer wieder sah sie sich um, aber die Schatten folgten ihnen nicht. Die Tür war wieder geschlossen.
    »Was waren das für ...« Angela zögerte. »... Gestalten?«
    Alberich antwortete, ohne sich umzudrehen. »Die Geister desertierter Soldaten. Sie haben einen Schwur geleistet, dem König von Innistìr zu dienen, um ihre Ehre wiederzuerlangen und nicht auf ewig verdammt zu sein. Marcus Julius Secundus führt sie an. Du musst keine Angst vor ihnen haben. Du gehörst zu mir, also werden sie dich ebenso beschützen wie mich.«
    Du gehörst zu mir. Die Worte schmeichelten Angela. »Ich habe keine Angst«, sagte sie, und das war keine Lüge.
    »Gut.«
    Die Treppe führte an zwei Stockwerken vorbei, in denen sie leere Gänge sah und einige offen stehende Türen. Es war still im Turm, nur das Zwitschern der Vögel und das leise Säuseln des Sees drangen durch die Fenster ins Innere. Sie waren vielleicht fünfzehn Meter hinaufgestiegen, als Alberich in einen Gang abbog, der an einer Tür endete. Er öffnete sie, blieb stehen und lächelte. »Unser neues Reich.«
    Angela ging an ihm vorbei und betrat einen großen, hellen Raum. Auf dem Steinboden lagen Teppiche, an den Wänden hingen Gemälde, auf denen der See aus unterschiedlichen Perspektiven zu sehen war. Der Künstler hatte sich große Mühe gegeben, jedes Detail einzufangen. Die Bilder wirkten so echt, dass Angela glaubte, die Wärme der Sonne auf ihrer Haut zu spüren. Einige Truhen standen unter den Regalen, der rechteckige Holztisch in der Mitte des Zimmers hätte ihrer Familie und allen Verwandten Platz geboten.
    Luca. Sandra. Felix. Sie zuckte zusammen und ging rasch zu einem der beiden Fenster. »Was für eine schöne Aussicht«, sagte sie. »Man kann sogar das andere Ufer des Sees erkennen.«
    Sie spürte auf einmal Alberichs Hände auf ihren Schultern und seinen Atem in ihrem Nacken. »Du gehörst zu mir«, flüsterte er. »Es ist nicht deine Schuld, dass das Leben, das du bisher geführt hast, zu schlecht für dich war.«
    Angela wollte widersprechen, aber Alberich strich mit einer Hand rhythmisch über ihren Hals. Sein Atem war heiß, seine Finger hart. Er hätte sie töten können in diesem Moment, das wusste sie, doch er tat es nicht, nutzte seine Kraft stattdessen, um sie zu liebkosen, ihr zu gefallen. Sie vergaß, an was sie gedacht hatte, und presste sich an ihn. Seine Hand bewegte sich schneller, sein Atem wurde lauter in ihrem Ohr. Im nächsten Moment ließ er sie los.
    »Du hast die anderen Räume ja noch gar nicht gesehen», sagte er.
    Angela kämpfte einen Moment um ihr Gleichgewicht und hielt sich am Fensterrahmen fest, um nicht rücklings auf den Teppich zu fallen. Überrascht und halb benommen drehte sie sich um. Alberich stand bereits an einer von zwei gegenüberliegenden Türen. »Das ist mein Schlafgemach, das auf der anderen Seite ist deines. Wenn du irgendetwas benötigst, sage es einfach. Der Turm wird es dir besorgen.«
    Er ging zu der Tür, die zurück zur Wendeltreppe führte. »Ich muss hinauf in die Bibliothek. Wir sehen uns später.«
    Allein blieb Angela zurück. Einen Moment lang glaubte sie noch Alberichs Atem auf ihrem Hals zu spüren, dann verging ihre Erregung. Sie sah sich ratlos um und ging schließlich zu der Tür, hinter der sich ihr Schlafgemach befinden sollte.
    Sie betrat einen Raum mit hoher Decke und einem einzelnen Fenster, durch das sie in einiger Entfernung den Olymp erkennen konnte. Der See lag links von ihr, aber ohne sich aus dem Turm zu beugen, war nur ein schmaler Uferstreifen zu sehen - und die Schatten, die vor dem Fenster wirbelten. Obwohl Angela wusste, dass sie sich ihrem Schutz verschrieben hatten, waren die Geister ihr unheimlich. Sie überlegte, ob sie die Vorhänge schließen sollte, entschied sich dann aber dagegen. Die Schatten waren überall. Es war besser, sich an sie zu gewöhnen.
    Die Einrichtung des Raums war einfach und rustikal: ein großer, leerer Schrank, eine ebenso leere Truhe, ein Bett, das breit genug für zwei war, und ein Waschtisch mit einem Spiegel. Die Schüssel, die man in das Holz eingelassen hatte, enthielt kein Wasser. Alberich hatte gesagt, der Turm würde besorgen, was sie wollte; trotzdem kam sich Angela albern vor, als sie den Kopf hochnahm und laut »Wasser« sagte.
    Einen Lidschlag lang geschah nichts, dann hörte sie auf einmal ein

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