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Die Kristallhexe

Titel: Die Kristallhexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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Brücken und Stegen führten, und an einem steinernen Brunnen, dessen Bewandtnis sich Angela nicht erschloss. Von einer Winde hing ein Eimer, dessen Seil lang genug aussah, um bis zum Boden des Turms zu reichen. Wozu braucht man einen Brunnen in einem Turm, der einem alles gewährt, um das man bittet?
    Das war eine Frage, die sie Alberich stellen würde, wenn sie ihn denn fand. Angela sah die Tür längst nicht mehr, und ohne Fenster konnte sie nicht sagen, in welchem Teil des Raums sie sich befand. Selbst die Decke half ihr dabei nicht, denn durch die vielen Regale, die bis ganz nach oben reichten, fühlte sie sich wie in den Straßenschluchten einer Großstadt.
    Ein Geräusch riss sie aus ihren Gedanken. Die Lampe stieg höher hinauf, so als habe sie ihre Aufgabe erledigt. Angela bog in eine Gasse zwischen zwei Regalen ein - und erstarrte. Vor ihr, auf einer Kreuzung, an der gleich fünf Gänge aufeinandertrafen, stand ein Lesepult. Eine ausgerollte Schriftrolle lag darauf, gehalten von zwei Dolchen, deren Klingen blutrot waren. Vor dem Pult kniete Alberich. Er war nackt, hielt den Kopf gesenkt und wandte Angela den Rücken zu. Die Arme hatte er ausgebreitet. Rotes Blut tropfte in zwei kleine Schalen, die rechts und links von ihm standen.
    Es schepperte. Angela zuckte zusammen. Ihr war einer der Kelche entglitten, ohne dass sie es bemerkt hatte. Er rollte über den Steinboden und verspritzte hellen Wein.
    Alberich fuhr herum. Angela glaubte, Ärger in seinen gespaltenen Pupillen aufblitzen zu sehen, doch schon hatte er sich wieder unter Kontrolle. Er lächelte sie an. Aus zwei Schnitten in seiner Brust lief Blut über seinen flachen Bauch.
    »Du bist verletzt«, sagte Angela, weil sie nicht wusste, was sie sonst sagen sollte.
    »Manche Bücher verlangen einen Preis von ihrem Leser.« Er erhob sich in einer fließenden, geschmeidigen Bewegung und machte einen Schritt auf Angela zu. Die senkte den Blick, obwohl sie ihn nicht zum ersten Mal nackt sah. Aber es war eine Sache, miteinander zu schlafen, eine andere, vor einem nackten Mann in einer Bibliothek zu stehen.
    Mein Gott, bin ich spießig, dachte sie.
    Alberich nahm ihr den zweiten Kelch aus der Hand. »Das war nett gemeint, aber unnötig. Der Turm gibt mir, was ich brauche, und du hättest in Gefahr geraten können. Es gibt Bücher hier, die Besuchern feindlich gesinnt sind.«
    Angela ließ sich den Kelch aus der Hand nehmen. »Du bist doch auch ein Besucher.«
    »Aber ich kann mich wehren.« Alberich schob seinen Daumen unter ihr Kinn und hob ihren Kopf. Angela blickte in seine bernsteinfarbenen Augen, versank darin, bis sie glaubte zu ertrinken. Die Welt um sie wurde dunkel, sie sah nur noch diese Augen und hörte nichts außer einer säuselnden ruhigen Stimme, die so weich war wie eine Sommerbrise. Dann ließ Alberich sie auf einmal los und wandte sich ab.
    Angela blinzelte. Ihr Mund war trocken, ihre Schultern hatten sich verkrampft. Sie fühlte sich desorientiert, als wäre sie gerade von einem viel zu schnellen Karussell gestiegen. Überrascht sah sie, dass der Weinkelch, den sie hatte fallen lassen, nun auf dem Pult stand. Der Boden, über den Wein gespritzt war, wirkte trocken.
    Misstrauen stieg auf einmal in Angela auf. Sie richtete den Blick auf Alberichs Rücken. »Was hast du getan?«, fragte sie scharf.
    Er drehte sich nicht um. Seine Stimme klang beinahe gleichgültig, als er antwortete. »Ich habe dich durchleuchtet.«
    »Du hast was?«
    »Ich musste sicher sein.«
    Das verletzte sie stärker, als sie für möglich gehalten hätte. Wütend biss sie sich auf die Lippe. »Nach all dem«, sagte sie mit all der Ruhe, die sie aufbringen konnte, »was ich für dich getan, für dich aufgegeben habe, vertraust du mir so wenig, dass du in meine innerste Seele eindringen musst, um dich von meiner Ehrlichkeit zu überzeugen? Was für ein Mann tut so etwas?«
    Alberich legte seine Hände auf die Ränder des Pultes. Angela sah, wie seine Muskeln sich anspannten und die Knöchel an seinen Händen weiß hervortraten.
    »Ein unsicherer Mann«, sagte er schließlich leise. Angela vergaß ihre Wut, als sie das Zittern in seiner Stimme hörte. »Ein Mann, der nicht weiß, was er hat.«
    Er drehte sich nun doch um. Angela wäre am liebsten zu ihm gelaufen und hätte ihn geküsst, aber sie riss sich zusammen. So einfach wollte sie es ihm nicht machen.
    »Tu das nie wieder.«
    »Das hat dir doch keine Schmerzen bereitet, oder?«, fragte Alberich sichtlich besorgt.
    Sie

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