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Die Kristallhexe

Titel: Die Kristallhexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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verkündeten, stieß ihn ab. Er zögerte einen Moment, dann ging er ein Stück zurück und bog in den Weg ein, der zum richtigen Dorf führte.
    Schon bald ging er an Werkstätten und Gaststuben vorbei und genoss den Lärm des normalen Lebens. Handwerker, die längst seine Vorlieben kannten, präsentierten ihm Schalen und Zauberwerkzeug, Kräuterfrauen breiteten die Funde der vergangenen Nacht auf schmutzigen Tüchern vor ihm aus. Er wusste, was er wollte, und er bekam es auch.
    Als er an der Schmiede vorbeiging, sah er, wie Luca mit einem Hammer ein Hufeisen formte, während der Schmied danebenstand und nickte. Der Junge wurde zum Mann, ohne es zu merken. Seit der Bruchlandung war er deutlich größer und kräftiger geworden.
    Schließlich erreichte Simon den Höhepunkt seiner Einkaufsrunde, die Garküche der Elfe Nerra. Sie bestand aus ein paar grob zusammengezimmerten Brettern, einem großen Kochkopf, der über einer offenen Feuerstelle hing, einem Grill und einem Lehmofen. Ein langer Tisch mit zwei Bänken stand davor. Normalerweise musste Simon warten, um einen Platz zu bekommen, aber er hatte Glück. Ein Mann stand auf, als er sich näherte, und er setzte sich auf dessen Platz. Die anderen am Tisch nickten ihm zu, dann kümmerten sie sich wieder um ihr Essen.
    »Ramrol?«, rief Nerra aus der Küche. Ihre Haut war rot und hart wie die eines Hummers. Mit vier Armen rührte sie im Kochtopf, schnitt Zwiebeln, drehte die Fleischspieße auf dem Grill und verteilte Teller.
    »Wie immer.«
    »Ist das deine erste heute?«, fragte der Elf, der Simon gegenübersaß.
    »Die zweite.«
    Der ältere Mann nickte. »Gut. Ich will nicht, dass du ...« Er machte eine eindeutige Geste und lieferte das entsprechende Geräusch dazu.
    Simon lächelte. »Keine Sorge, das wird nicht passieren.«
    Nicht einmal fünf Minuten musste er warten, dann rief Nerra ihn auf. Simon nahm seinen Holzteller, kehrte zu seinem Platz zurück und setzte sich. Die Ramrol war noch zu heiß, um sie zu essen. Er ließ sie liegen, schloss die Augen und tat das, womit er seine Tage verbrachte, wenn er Langeweile hatte: Er suchte den Schattenlord.
    Der Zauber war ihm so vertraut, dass er sich kaum konzentrieren musste. Sein Geist streckte Fäden aus wie Tentakel und griff in die Nebel der magischen Ebene. Nur dort konnte man Auren erkennen und ihnen folgen. Den Zugang zu dieser Ebene zu erlangen fiel vielen Elfen schwer, manche schafften es nie. Für Simon war es, als müsse er den Weg zum Pub um die Ecke finden. Es war ihm fast schon peinlich, wie leicht er den Sprung vollzog.
    Er fand den Schattenlord bereits beim ersten zaghaften Tasten und dann beim zweiten und dritten. Er war überall, genau wie Cedric gesagt hatte. Ihn zu finden war längst nicht mehr das Problem, ihn zu orten schon. Es war, als taste man sich durch ein Haus voller Rauch, um den Feuerherd zu finden.
    »Hey!«, sagte eine Stimme. Jemand berührte seinen Arm. Simon öffnete die Augen. Der Elf, der ihm gegenübersaß, zeigte auf den Weg, der durch den Markt führte. »Der Junge da haut mit deiner Ramrol ab.«
    Es stimmte. Ein in ein paar schmutzige Lumpen gehüllter, dürrer Menschenjunge rannte mit der Ramrol in der Hand davon. Sie musste immer noch heiß sein, denn er warf sie von einer Hand in die andere, biss aber trotzdem hinein. Simon sah ihm nach und schüttelte den Kopf.
    »Er sieht aus, als könne er sie brauchen. Dann kaufe ich eben eine neue.«
    Der Mann verzog das Gesicht. »Man sollte diesem Diebespack nichts durchgehen lassen.«
    Simon hörte ihm nicht zu, drehte sich stattdessen zu Nerra um. Bevor er seine Bestellung äußern konnte, hörte er Schreie. Sie klangen bestürzt, entsetzt, aber nicht verängstigt.
    Keine Gefahr, dachte er. Trotzdem stand er auf und ging in die Richtung, aus der die Schreie gekommen waren. Elfen und Menschen liefen dort zusammen. Sie alle starrten nach unten. Mit einem mulmigen Gefühl bahnte sich Simon einen Weg durch die Menge - und blieb stehen. Tief atmete er durch.
    Vor ihm lag der Junge, der seine Ramrol gestohlen hatte. Er hielt sie nach wie vor in einer verkrampften Hand. Er hatte die Spitze abgebissen, und die heiße Füllung war über seine Finger und in den Sand gelaufen. Die Augen des Jungen starrten ins Nichts. Schaum stand vor seinem Mund.
    Er war tot.
    »Ich verstehe das nicht.« Nerra saß an dem Tisch vor ihrer Garküche. Der Kessel kochte unbeaufsichtigt vor sich hin, das Fleisch auf dem Grill war bereits verkohlt. Auf dem Tisch

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