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Die Kristallhexe

Titel: Die Kristallhexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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trank einen Schluck. »Sehr guter Tee. Ich bin beeindruckt.«
    Salik konnte nicht erkennen, ob seine Gleichgültigkeit gespielt oder echt war, aber er musste davon ausgehen, dass Saryf seine Drohung wahr machen würde. Er war ein eitler, stolzer Mann, aber erfüllt von einer Selbstverliebtheit, die Salik nach all seinen Jahren im Orden der Assassinen nicht mehr verstand. Wie konnte man seine eigenen Wünsche über die Bedürfnisse vieler stellen? Es erschien ihm dumm und egozentrisch.
    Er traf seine Entscheidung. »Ich werde meinen Sayasi holen«, sagte er.
    Saryf nickte. »Ich freue mich darauf, den Meister kennenzulernen.«
    Er lehnte sich in den Kissen zurück und drehte die Teetasse zwischen den Fingern. Salik hätte sie ihm am liebsten aus der Hand getreten, doch stattdessen verließ er ruhig das Zimmer.
    »Hat er gesagt, was er will?«, fragte Hanin, die im Gang an der Wand gelehnt hatte und sich nun aufrichtete.
    »Nein. Ich werde unseren Sayasi holen, so, wie er verlangt.«
    Die Assassinin starrte auf die geschlossene Tür. Sie war schlank, fast schon zierlich, aber Salik wusste, welche Kraft in ihr steckte. »Ich könnte mich kurz mit ihm unterhalten«, sagte sie. »Danach wissen wir bestimmt mehr.«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein. Sein Körper ist eine Illusion, hinter der noch eine Illusion steckt, und wer weiß, wie viele noch. Deine Fäuste würden nur Luft treffen. Aus dem Grund konnte er so leicht hierher gelangen.«
    Sie gingen durch den Gang. Im Inneren der Festung verzichtete Hanin meist auf ihren Gesichtsschleier. Ihr langes, schwarz glänzendes Haar fiel ihr bis über die Schultern, in ihren granatfarbenen Mandelaugen blitzte es. Sie mochte es nicht, wenn andere über den Meister bestimmten. Ebenso wie Salik empfand sie das als unverschämt.
    Sie blieben vor der Tür stehen, die zu Sayasi Alhamals Gemächern führte. Der Geruch nach Räucherstäbchen und Shishatabak drang bis in den Gang heraus.
    Salik klopfte. »Ein Besucher wünscht dich zu sprechen«, sagte er durch das dunkle Holz. »Meine Anwesenheit genügt ihm nicht.«
    Es dauerte einen Moment, dann öffnete der Meister die Tür. Er war ein alter Mann mit einem schmalen, langen Gesicht und Widderhörnern, die von seinem Kopf abstanden und aus seinem dichten weißen Haar ragten. Er lachte leise. »Dein Missfallen ist nicht zu überhören.«
    »Er ist unverschämt.«
    Alhamal zog die Tür hinter sich zu. »Ich bin sicher, dass er noch andere Charaktereigenschaften besitzt. Du solltest nicht zu schnell über andere urteilen.«
    Eine milde Zurechtweisung, die Salik dennoch traf. »Ich werde darauf achten, Sayasi.«
    Als sie in den Raum zurückkehrten, erhob sich Saryf aus seinen Kissen. Nach einer kurzen Geste des Meisters blieb Hanin vor der Tür stehen, während Salik an seinen Platz am Fenster zurückkehrte. Er würde den Meister nicht allein lassen, nicht mit einem Mann, der sein Aussehen verschleierte.
    »Ich sehe, man hat dich gut versorgt«, sagte der Herr der Festung.
    Saryf verneigte sich vor ihm, höflicher und respektvoller, als Salik erwartet hatte. »Die Gastfreundschaft deines Ordens ehrt dich.«
    »Es ist nicht mein Orden, ich versuche nur, ihn zu bewahren und zu leiten, so gut ich es vermag.« Alhamal nickte dem Fremden zu. »Setz dich.«
    Die beiden Männer nahmen Platz auf den Kissen. Salik blieb stehen.
    »Du bist nicht, wer du zu sein vorgibst«, sagte sein Meister. Ihm war die Illusion natürlich nicht entgangen. »Sollte man einem Mann vertrauen, der sein Aussehen verbirgt?«
    Saryf neigte den Kopf. »Vertrauen in mich ist nicht nötig, nur in meine Worte. Die Informationen, mit denen ich handle, sind stets korrekt. Wenn dem nicht so wäre, hätte man mich trotz aller List schon längst getötet.«
    »Du willst für deine Informationen bezahlt werden?«, fragte Salik. Davon war bisher nicht die Rede gewesen.
    »Normalerweise schon. Ein Bauer gibt seine Ernte ja auch nicht umsonst ab, und das Wissen, das ich ansammle, muss oft über deutlich längere Zeiträume wachsen als ein Weizenfeld.« Saryf griff nach einer Dattel und wandte sich wieder dem Meister zu. »In diesem Fall verzichtete ich jedoch darauf. Es bereitet mir Vergnügen, dir etwas mitzuteilen, was dich interessiert und einen Mann, den ich nicht schätze, vielleicht in Schwierigkeiten bringt.«
    »Du rächst dich also an ihm?«, fragte der Meister.
    »Das meinte ich mit Vergnügen.« Saryf steckte die Dattel in den Mund, kaute und spuckte den Kern in seine

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