Die Kristallhexe
barsch klingende Stimme hinter ihm. Leonidas schob sich an dem Soldaten vorbei und betrat den Thronsaal. Seinen Helm mit dem Federbusch hielt er locker in der Armbeuge, Rüstung und Fell waren staubbedeckt. Er schien einen langen Ritt hinter sich zu haben und wirkte erschöpft. Und äußerst aufgebracht. »Du hast mich ins offene Messer laufen lassen!« Er klang wütend.
Der Soldat zog sich rasch zurück und schloss die Tür.
Alberich steckte sein Schwert wieder in den Gürtel. »Vergiss nicht, dass du mit deinem Herrn sprichst«, sagte er verärgert. Wenn er Leonidas nicht so dringend benötigte, würde er ihm die eine oder andere Lektion in Demut erteilen. So aber musste er sich bezähmen. Allerdings war Leonidas ebenso an ihn gebunden. Das besänftigte den Drachenelfen ein wenig.
»Du kannst dich Herrscher nennen, sooft du willst.« Leonidas stieg über eine der Leichen hinweg, ohne sie zu beachten. »Aber ein König schickt seinen General nicht in die Schlacht, ohne ihm zu sagen, welcher Gegner ihn erwartet!«
»Wovon redest du?« Alberich wollte zu seinem Thron gehen, blieb dann aber stehen. Der Löwenkrieger war so wütend, dass der Drachenelf davor zurückschreckte, ihm den Rücken zuzudrehen. »Was für ein Gegner?«
»Ein zweites fliegendes Schiff.«
»Was sagst du da?«
Leonidas ging an ihm vorbei. Trotz seiner Größe bewegte er sich elegant und so geschmeidig wie eine Katze. Neben dem Thron blieb er stehen, nahm Alberichs Weinkelch und trank ihn aus. Er berichtete dem Drachenelfen von den Fährnissen, die ihm in der Wüste widerfahren waren. Und er erwähnte auch den Dolch, den Laura aus dem Gläsernen Turm gestohlen hatte, und äußerte die gleichen Vermutungen, die schon der Informationshändler genannt hatte. »Das Schiff tauchte plötzlich auf und griff den Seelenfänger an. Wir mussten uns zurückziehen, weil es mit Kanonen auf uns schoss.«
»Ohne Laura?«
»Siehst du sie etwa hier? Ich hatte Grond eingesetzt und stand kurz davor, sie gefangen zu nehmen, da pfuschte mir das andere Schiff dazwischen! Es bestand keinerlei Chance, dagegen vorzugehen. Ich habe mich völlig umsonst derart verausgabt und halb umgebracht! Und der Grond-Zauber ist dahin, ich kann ihn nicht mehr einsetzen.«
Alberichs Unbehagen schlug in Wut um. »Ich muss Laura haben! Gerade jetzt ist sie ...« Er unterbrach sich. Es gab Dinge, die er seinem General lieber verschwieg.
Leonidas stellte den leeren Kelch ab und sah Alberich aus seinen gelben Katzenaugen an, so als wisse er genau, dass ihm etwas verheimlicht wurde. »Gerade jetzt?«, hakte er nach.
Alberich antwortete nicht. »Berichte mir lieber von diesem zweiten fliegenden Schiff. Haben die Menschen es erbaut?«
»Nein. Das war kein Gefährt, das von Ballons oder Flugtieren gehalten wurde, sondern ein echtes fliegendes Schiff wie der Seelenfänger.«
Zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit wurde Alberich mit etwas konfrontiert, von dem er nichts gewusst hatte. Es kam ihm vor, als entglitt ihm die Kontrolle über sein Reich.
»Beschreibe das Schiff!«
Leonidas legte seinen Helm auf den Thron, eine weitere stumme Provokation. »Es war groß, aus dunklem Holz und mit orangefarbenen Segeln. Ein Adler als Galionsfigur.« Er hob die Schultern. »Der Kapitän hantierte mit irgendwelchen Flaschen herum.«
»Arun!« Alberich schlug mit der Faust in seine ausgestreckte Handfläche. »Der Korsar der Sieben Stürme.«
»Du kennst ihn?«
»Ja, ich war schließlich einmal Reeder.« Nachdenklich strich er eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Ich frage mich nur, wie er hierhergekommen ist. Er kann nicht schon die ganze Zeit in Innistìr gewesen sein, das ist unmöglich.«
Er spürte Leonidas’ Blick, als er begann, auf und ab zu gehen. »Er muss also durch ein Schlupfloch gekommen sein, genau wie das Flugzeug, in dem Laura saß. Wenn er in der Lage wäre, von einer Welt in die andere zu wechseln ...«
Alberich blieb stehen und sah Leonidas an. »Folge der Spur von Aruns Schiff. Vielleicht kommt ja etwas dabei heraus.«
»Und was ist mit Laura? Fokke hat geschworen, sie umzubringen, wenn sie ihm in die Hände fällt! Und bei den Felsen hat er bereits alles darangesetzt, den Schwur in die Tat umzusetzen.«
Alberich schüttelte den Kopf. »Dazu darf es unter keinen Umständen kommen. Laura gehört mir und niemandem sonst! Wenn Fokke nicht bereit ist, das einzusehen, wird er die Konsequenzen tragen müssen. Ich brauche ihn bald nicht mehr, und er ist in der letzten Zeit
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