Die Kristallhexe
erste brachte sie an der Person vorbei, der zweite um das Bett, der dritte bis zu ihrem Ziel. Die kalte Nachtluft kühlte den Schweiß, der auf ihrer Stirn stand.
Jetzt, dachte sie.
»Marcus!«, schrie Angela, so laut sie konnte. »Hilf...«
Die Gestalt bewegte sich. Schnell und anmutig wie eine Raubkatze sprang sie über das Bett. Die Klinge ihres Kurzschwerts lag an Angelas Kehle, bevor sie das Wort beendet hatte.
»Wo ist Alberich?« Die Stimme einer Frau.
Angela spürte das kalte Metall an ihrem Hals. »Was willst du von ihm?«
»Ich bin Hanin vom Orden der Assassinen. Wenn du meine Frage nicht beantwortest, wirst du sterben.«
»Ich weiß es nicht. Alberich vertraut mir nicht. Er sagt mir nie, wohin er geht oder was er vorhat.« Die Lügen kamen ihr so leicht über die Lippen, dass es sie selbst überraschte. »Ich bin nur was fürs Bett, keine Vertraute.«
Die Assassinin zögerte. Draußen polterten Schritte die Treppe herauf, dann hörte Angela das Klirren von Metall und einen dumpfen Knall. Im nächsten Moment wurde die Tür aufgerissen, doch es stand nicht etwa einer von Marcus’ Leuten im Rahmen, sondern ein weiterer Assassine. Er warf einen kurzen Blick auf Angela, dann sprach er Hanin an. »Die Schatten verwandeln sich in Krieger. Wir haben zwei getötet, aber es kommen immer mehr. Was sollen wir tun?«
»Alberich suchen. Er muss hier irgendwo sein. Ich habe gerade seine Stimme gehört, aber ich konnte nicht verstehen, was er sagte.«
Der Druck der Klinge verschwand von Angelas Hals. Erleichtert atmete sie auf.
»Was ist mit ihr?«
Angela duckte sich unter Hanins Blick. Sie spürte das Misstrauen der Assassinin und ihre Zweifel, doch nach einem Moment schüttelte sie den Kopf. »Sie weiß nichts.«
Mit langen Schritten ging sie zur Tür, drehte sich aber ein letztes Mal zu Angela um. »Blieb hier, versteck dich am besten unter dem Bett.«
»Das werde ich. Danke, vielen Dank!«
Hanin hatte das Zimmer bereits verlassen. Sie folgte dem anderen Assassinen und ließ Angela allein zurück. Im Treppenhaus wurden die Rufe der Soldaten lauter, aber sie klangen verwirrt, als wüssten die Männer nicht, wen sie eigentlich jagten.
Angela fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Ihr Herz schlug so schnell, dass sie kaum atmen konnte, Schweiß lief ihr in die Augen. Noch immer glaubte sie, den Druck der Klinge an ihrem Hals zu spüren und den seltsam trockenen Geruch der Assassinin zu riechen. Sie riss sich zusammen und nahm den Kristall in die Hand.
Ich hoffe, du bist so mächtig, wie Alberich sagt.
Die Tür zum Treppenhaus stand offen. Einer der Assassinen lief gerade nach oben, dorthin, wo Alberich wahrscheinlich nichts ahnend seine Bücher las. Die Türen der Bibliothek waren so dick, dass man nicht hörte, was im Treppenhaus geschah.
»Du wirst stolz auf mich sein«, sagte Angela leise, während das Kribbeln der Magie in ihr zum Tosen wurde, dann rief sie laut: »Hey!«
Der Assassine fuhr herum. Es war nicht Hanin, wie sie gehofft hatte, sondern der Mann, der ins Zimmer gestürmt war. In beiden Händen hielt er eine Klinge.
»Hanin hat dir doch gesagt, dass du dich verstecken sollst«, sagte er nicht unfreundlich. »An deiner Stelle würde ich das tun.«
»Ich habe leider andere Pläne.«
Seine Augen weiteten sich, er setzte zum Sprung an - aber es war zu spät. Der Sturm, den Angela beschwor, entlud sich fauchend und warf ihn gegen die Wand. Der Mann schrie auf, als Eiskristalle, so scharf und spitz wie Glassplitter, sich in seinen Körper bohrten. Es waren Tausende. Sekunden vergingen, bevor seine Schreie erstarben. Sein Blut tropfte von der Wand und den Stufen der Wendeltreppe.
»Inran?«, rief eine Männerstimme von unten.
Angela wandte sich ihr zu. Sie hatte noch nie versucht, ihre Magie auf etwas zu schleudern, was sie nur hörte, aber nicht sah. Sie konzentrierte sich auf die Stimme und erschuf einen Eiskegel, der sich über sie stülpen sollte.
Es funktionierte nicht. Die Magie wallte in ihr auf, fand aber kein Ziel.
Es war einen Versuch wert, dachte sie, während sie bereits die Treppe hinunterging. Ein toter Soldat saß auf dem Absatz, den Blick ins Nichts gerichtet. Einen zweiten sah sie weiter unten in seinem Blut liegen.
»Angela?«
Sie drehte sich um. Marcus Julius Secundus stand über ihr auf den Stufen. Sie nahm an, dass er nach ihrem Hilferuf zum Fenster geflogen war. Ist seitdem wirklich erst so wenig Zeit vergangen?
»Geh zurück in dein Quartier und schließe die
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