Die Kristallsaengerin
die Klasse 895. Er hob das Glas.
»Ja, wir müssen sehen, daß Sie in die Ketten kommen. Wenn jemand Keborgens Claim finden kann, dann sind wahrscheinlich Sie es.«
Der Schreck war so groß, daß sie merkte, wie ihr der Becher durch die Finger rutschte, und sie war froh, als er ihr das Glas abnahm und es auf den Tisch setzte, den er vor sie zog.
»Lassen Sie sich nicht durch Ihre Zielstrebigkeit blind für die Tatsache machen, Killashandra Ree, daß andere aus denselben Daten zu denselben Schlußfolgerungen kommen können wie Sie.«
»Das tue ich nicht. Deshalb muß ich ja auch so schnell wie möglich in die Ketten.« Sie runzelte die Stirn. »Woher wußten Sie das? An jenem Abend ist mir niemand gefolgt. Nur Sie und Enthor wußten, daß ich auf Keborgens Kristalle reagiert hatte.«
Lanzecki warf ihr einen langen, wie sie glaubte, mitleidigen Blick zu, dann senkte Killashandra die Augen und ballte die Hände. Sie wollte auf ihn einschlagen, mit den Füßen aufstamp-fen oder irgend etwas anderes tun, um sich Erleichterung von der Demütigung zu verschaffen, die sie gerade erlebte.
Lanzecki, der ihr gegenüber saß, begann, ihre Finger einen nach dem anderen zu öffnen.
»Sie haben sowohl Klavier wie auch Laute gespielt«, stellte er fest, während seine Fingerspitzen sanft den kräftigen Muskel auf ihrem Handballen untersuchten, das fehlende Gewebe zwischen ihren Fingern, ihre flexiblen Gelenke und die verhärteten Spitzen. Wäre es nicht ihr Gildemeister gewesen, hätte Killashandra diese fast zärtliche Berührung genossen. »Habe ich recht?«
Sie murmelte eine Bestätigung, weil sie ihm irgendeine Antwort geben mußte. Killashandra war erleichtert und holte die dringend gebrauchte Luft, als er sich zurücklehnte, seinen Becher nahm und langsam trank.
»Es ist Ihnen niemand gefolgt. Und nur Enthor und ich wuß-
ten von Ihrer Sensitivität gegenüber Keborgens schwarzen Kristallen. Nur wenige Leute kennen die wirkliche Bedeutung einer Milekey-Transition, abgesehen von der Tatsache, daß Sie irgendwie um die Beschwerden herumgekommen sind, die sie selbst bekamen. Was sie nie verstehen werden, ist die Totalität der symbiotischen Anpassung.«
»Hat mir Antona deshalb Glück gewünscht?«
Lanzecki nickte lächelnd.
»Hat das auch damit etwas zu tun, daß ich so leicht schwarze Kristalle herausfinden kann? Hatte Keborgen auch eine Milekey?«
»Auf beide Fragen ein Ja.«
»Aber diese Totalität könnte ihm nicht das Leben retten, oder?«
»Diesmal nicht«, antwortete er nachsichtig und ignorierte ihre ärgerliche und unverschämte Frage. Auf Lanzek-kis Anweisung schaltete sich ein stimmcodierter Displayschirm ein, auf dem die chronologische Liste der Gildemitglieder erschien. Keborgens Name war im ersten Drittel. »Wie ich Ihnen damals schon gesagt habe, altert auch der Symbiont und ist dann in der Hilfe, die er einem alten und überbeanspruchten Körper geben kann, eingeschränkt.«
»Keborgen muß zweihundert Jahre gewesen sein! So alt hat er aber nicht ausgesehen!« Killashandra war sprachlos vor Erstaunen. Sie hatte nur einen flüchtigen Blick auf das Gesicht des verletzten Sängers werfen können, aber nie im Leben hätte sie ihn für zweihundert Jajtre alt gehalten. Plötzlich schien die Last eines jahrhundertelangen Lebens Killashandra genauso zu bedrücken wie ihr Unvermögen, in die Ketten zu kommen.
»Glücklicherweise merkt man in unserem Beruf nicht, wie schnell die Zeit vergeht, bis irgendein Ereignis einen zwangs-weisen Vergleich an den Tag bringt.«
»Sie hatten auch eine Milekey-Transition.« Ihre Frage klang eben wie eine unleugbare Feststellung.
Lanzecki nickte.
»Und Sie singen keine Kristalle?«
»Früher.«
»Dann ... warum ...« Sie deutete auf das Büro und dann auf ihn.»Gildemeister werden früh ausgewählt und sehr streng in allen Aspekten dieser Tätigkeit ausgebildet.«
»Keborgen war ... aber er hat Kristalle gesungen. Und Sie auch.« Sie sprang auf, unfähig, die Bedeutung von Lanzeckis ruhig ausgesprochenen Worten zu begreifen. »Sie meinen doch nicht etwa ... ich soll dazu ausgebildet werden ... Sie phantasieren wohl!«
»Nein, jetzt phantasieren Sie«, erwiderte Lanzecki. Ein leises Lächeln spielte auf seinem Gesicht, als er ihr bedeutete, sich wieder zu setzen, und auf ihr Bier zeigte. »Das beruhigt. Der einzige,Grund, warum ich mich einmal unter vier Augen mit Ihnen unterhalten wollte ist der, Ihnen zu sagen, daß Sie in die Ketten können, sobald ich einen
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