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Die Kristallsaengerin

Die Kristallsaengerin

Titel: Die Kristallsaengerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne McCaffrey
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gesungen hatte, war es nicht so schlimm gewesen. Lag es daran, daß sie sensitiv für den schwarzen, nicht den rosa und daß sie nicht auf sein Claim eingestimmt war?
    Außerdem hatte er nicht in der Mitte seines Claims gestanden, sondern auf Granit. Und dieses Erlebnis war völlig anders als der Schrei von neugestimmtem Kristall, denn in dieser phantastischen und überwältigenden Resonanz lag kein Schmerz, kein Groll.
    Sie mußte den Kristall nicht noch einmal anschlagen. Das A haftete fest in ihrem Kopf und ihren Ohren. Sie zögerte nur noch einmal, als sie das Infraschallmesser anlegte, um den ersten Einschnitt zu machen. Nur eine unbewußte Entschlossenheit, eine Hartnäckigkeit, der es bisher noch nie bedurft hatte, ließ sie den Schnitt durchführen. Klang hüllte sie ein, ein A in Akkorden und Oktaven, ein Klingen, das jedes Nervende in ihrem Körper zum Vibrieren brachte, nicht schmerzhaft, sondern angenehm und merkwürdig verwirrend. Sie fühlte, wie der Ton des Messers dunkler wurde und zog es heraus. Den zweiten vertikalen Schnitt setzte sie direkt vor Keborgens Einschnitt an. Dieser Block wür-de kürzer sein als die anderen und schmalen, aber es ließ sich nicht ändern. Sie biß die Zähne gegen den kurzen Schock zusammen, als Messer auf Kristall und Ton auf Nerv traf. Ihre Hände schienen den endlosen Übungsstunden unter Trags Anweisung zu folgen, aber sie sagte sich nicht bewußt, den zweiten vertikalen Schnitt zu beenden. Es war irgendeine einstudierte Beziehung zwischen Hand und Auge, die sie aufhören ließ. Von diesem Instinkt ließ sie sich auch führen, als sie den waagerechten Schnitt machte, der den Kristall von der Ader trennen würde.
    Vorsichtig legte sie den Schneider ab, voll ehrfürchtiger Scheu angesichts der hauchdünnen Trennschnitte. Mit den Händen, die noch von der Anstrengung zitterten, den Schneider zu führen, zog sie das Rechteck heraus und hielt es hoch. Die Sonne fing sich in dem Block und machte ihn dunkel, und sie zeigte ihrem staunenden Auge die leichte Abweichung von einem präzisen Winkel. Doch das war ihr völlig gleichgültig, und sie weinte vor Freude, als der Klang des von der Sonne erwärmten schwarzen Kristalls, der jetzt tatsächlich mattschwarz als Reaktion auf die Wärme, war, durch ihre Haut drang, um ihre Sinne zu berauschen.
    Wie lange sie so dastand, in einem ehrfürchtigen Bann ver-sunken, das Rechteck wie eine Priesterin aus vergangenen Zeiten der Sonne entgegengestreckt, wußte sie nicht. Eine Wolke, eine der wenigen an jenem Tag, unterbrach das Singen, als sie für kurze Zeit die Sonne verdeckte. Erst jetzt wurde sich Killashandra bewußt, daß ihre Schultern schmerzten, weil ihre Arme das Gewicht so lange ausgestreckt gehalten hatten, und ihre Finger, Füße und Beine waren taub. Ein merkwürdiger Widerwille regte sich in ihr, den Kristall aus den Händen zu geben. »Du mußt den Kristall verpacken, sobald du ihn geschnitten hast«, klang das Echo von Lanzeckis Rat in den Ohren. Auch Moksoon hatte sie verpackt, sobald er sie geschnitten hatte. Sie erinnerte sich daran, mit welcher Überwindung der verrückte alte Sänger offensichtlich den Rosenquarz in den Karton gelegt hatte. Killashandra folgte Rat und Beispiel.
    Erst als der Kristallblock sicher in seinem Schaumstoffkasten lag, merkte sie, wie erschöpft sie war. Aller Kraft beraubt, lehnte sie sich an die Kristallwand und sank langsam zu Boden. Nur am Rande nahm sie das Murmeln des Kristalls wahr, an dem sie ruhte.
    »So geht das nicht weiter«, sagte sie sich, ohne auf das schwache, klingende Echo ihrer Stimme zu achten. Sie nahm sich ein Essenspaket aus der Schenkeltasche und aß und trank mit mechanischen Bewegungen. Langsam ließ die schreckliche Lethargie nach.
    Als Killashandra hinauf zum Himmel sah, stellte sie fest, daß sich die Sonne schon langsam nach Westen neigte. Sie mußte die Hälfte eines schönen, klaren Tages damit verbracht haben, ihr Werk zu bewundern.
    »Lächerlich!«
    Der spottende »ch«-Laut hallte zurück.
    »Ich würde an deiner Stelle nicht so vorlaut sein, mein Freund«, sagte sie zu dem Claim, während sie die Schnittstellen nach einem zweiten Block absuchte. Sie wollte sehen, daß sie diesen gleichmäßiger schnitt, sonst würde sie am Ende noch genau so eine verdächtig symmetrische Pfütze bekommen wie es Keborgen passiert war.
    Sie brauchte den Ton nicht anzuschlagen: das A hatte sich fest in ihrem Kopf eingebrannt. Killashandra schaltete und stellte den

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