Die Kristallsaengerin
fand einen Platz an der Rückwand und sah sich unter den Zuschauern nach Lanzeckis Gesicht um. Sie hoffte, daß er sein Angebot dieses au-
ßerplanetarischen Auftrags nicht jemand anderem gemacht hatte. Aber in diesem Fall würde er es ihr bestimmt zuerst sagen.
Dann geriet sie ganz in den Bann der Sturmszenen. Zuerst glaubte sie, daß sie den Film schneller als normal ablaufen ließen - bis sie die Windgeschwindigkeiten mit den Dezibelangaben verglich. Sie war sprachlos über die Wut des Sturms.
»Der schwerste Passover-Sturm von 2898«, informierten Stimmen und Display die Zuschauer, »auch wenn er nicht so verheerend und heftig war wie der 2863, bildete sich ebenfalls im Nordosten, während der Frühjahrswende, und als Shilmore über dem Großen Meer in der Annäherung auf Shanganagh und Shankill war. Die ungünstige Gegenstellung der beiden nächsten Planeten verstärkt noch die Gewalt des diesjährigen Sturms..
Entsprechende Sicherheitsmaßnahmen, zu denen unter anderem der neue Wellenunterbrecher vor den Küsten von Buland und Hoyland gehört, sollen eine solche Flutwelle auf dem Ozean verhindern, die jene gewaltigen Verheerungen auf dem Süd-Durian-Kontinent verursacht hat.«
Die Leinwand wechselte in rascher Reihenfolge von Satel-litenfotos zu planetarischen Wetterstationen, wo die Windver-schiebungen durch Wellen von Schutt markiert wurden, der in vertikalen Schichten durch die Luft flog. Killashandra geriet in jenen Zustand der Faszination, der den Betreffenden verwirrt, und eine trügerische Sekunde lang glaubte sie fast das Heulen des Windes zu hören. Eine besonders wütende Gegenströmung von Schutt verursachte eine plötzliche Übelkeit bei Killashandra und riß sie aus ihrer Trance. Hastig verließ sie den Saal und sah sich nach einer Toilette um, doch sobald sie sich in der schalldichten Stabilität des stillen Korridors befand, verging das Gefühl der Übelkeit. Statt dessen überkam sie auf einmal Heißhunger.
»Ich habe doch gefrühstückt«, sagte sie durch zusammenge-bissene Zähne. »Und wie.«
Sie stieg in einen Lift und fragte sich, wie lange der Appetit nach der Tour in die Ketten noch kritisch bleiben mochte. Sie drückte den Knopf für die Krankenstation und fand sich in demselben Vorraum wieder, den sie vor kaum vier Wochen betreten hatte.
Es war niemand da.
»Ist hier jemand?« fragte sie scharf.
»Ja«, kam die Antwort des verbalen Anredesystems.
»Dich will ich nicht. Ich möchte zu ...«
»Killashandra Ree?« Aus der Tür rechts von ihr tauchte Antona auf, einen überraschenden Ausdruck auf ihrem Gesicht. »Sie sind doch nicht verletzt?« Die Ärztin zog ein kleines Diagnosegerät aus ihrer Schenkeltasche und kam auf Killashandra zu.
»Nein, aber ich sterbe vor Hunger.«
Antona lachte und ließ das Instrument zurück in ihre Tasche gleiten. »Entschuldigen Sie, Killashandra. Ich weiß, es ist wirklich nicht komisch! Zumindest für Sie.« Sie versuchte, eine ern-stere Miene aufzusetzen. »Aber Sie haben es gut ausgedrückt.
Sie >sterben vor Hunger< aus verschiedenen Gründen. Während sich die anderen von ihrem Fieber erholten, haben wir ihnen zu-sätzliche Nahrungsstützen verabreicht. Sie aber hatten kein Fieber, und dann sind Sie losgeschickt worden, um zu schneiden.
Das schreckliche Hungergefühl ist völlig normal, verstehen Sie?
Nein, ich sehe, Sie verstehen nicht, und Sie sehen hungrig aus.
Ich wollte sowieso gerade eine Kleinigkeit essen. Der Aufenthaltsraum wird leer sein, weil sich alle die Stürme vom letzten Jahr ansehen. Kommen Sie doch mit. Ich kann mir nichts Langweiligeres vorstellen, als Berge essen zu müssen und das dann ganz allein.
Sie wissen doch sicher noch«, — inzwischen hatte Antona sie zum Lift geführt, und sie gingen durch den Aufenthaltsraum zum Verpflegungssystem — »daß der Symbiont zwanzig Wochen braucht, bis er richtig in ihrem Körper integriert ist. Es ist uns bisher noch nicht gelungen, herauszufinden, welchen durch-schnittlichen Nahrungsbedarf die Spore pro Tag hat, da dies vom Stoffwechsel des einzelnen abhängt. Lassen Sie uns mal sehen ...« Antona ließ sich die Speisekarte geben. »Sie haben doch nichts dagegen, wenn ich für Sie bestelle? Ich weiß genau, wie man dieses Hungergefühl bekämpft und den Symbionten stärkt.«
Antona wartete auf Killashandras Zustimmung und machte dann eine Runde durch den Verpflegungsbereich, wobei sie an jedem Stand eine Reihe von Gerichten wählte und dann Killashandra bedeutete, sich
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