Die Kristallsaengerin
bei Carrik oder den drei Sängern auf Shankill, und auch keine Abgänge wie der von Borella. Sie trank einen Schluck, um Kraft zu tanken, damit sie ihren erschöpften Körper die Rampe hinauf zu einem anständigen freien Abendessen tragen konnte. Apropos freie Mahlzeit, ihre letzte anständige freie Mahlzeit war indirekt auch auf Kosten der Gilde gegangen. Wie es der Zufall wollte, verließ sie als eine der letzten die Sortierhalle. Irgendwo hinter ihr ging eine Tür auf.
»Wieviele fehlen noch, Malaine?« hörte sie Lanzecki fragen.
»Fünf weitere sind eben im Hangar gelandet, einer davon etwas zu ungestüm. Und laut Flugkontrolle sind anscheinend noch zwei im Anflug.«
»Fehlen also zweiundzwanzig ...«
»Wenn wir die Sänger doch nur dazu bringen könnten, ihre Schnittpositionen anzugeben, so daß wir eine Möglichkeit hätten, den Vermißten nachzugehen und wenigstens die Ladung si-cherzustellen ...«
Die Tür glitt zu, und Killashandra konnte den Rest des Satzes nicht mehr verstehen, aber das Gespräch, besonders der Ton, beunruhigte sie.
»Die Ladung sicherstellen.« War das Malaines und Lanzek-kis Sorge? Die Ladung? Sicher, Malaine hatte ausdrücklich gesagt, daß die Ladung wichtiger sei als die Rekruten, die sie transportierten, aber sicher waren doch auch die Kristallsänger selbst wertvoll. Schlitten ließen sich ersetzen -ein neuer Schuld-posten, den man an die Gilde begleichen mußte -, aber Sänger stellten doch bestimmt durch die Tatsache, daß sie eine auser-wählte Gruppe waren, einen hohen Wert dar.
Killashandras Verstand wurde mit solchen Anomalien einfach nicht fertig. Endlich hatte sie das Ende der Rampe erreicht und mußte sich mit einer Hand am Türrahmen abstützen, als sie den Daumen in das Türschloß legte. Ein Stöhnen der Erschöpfung drang über ihre Lippen. Plötzlich glitt Rimbols Tür auf.
»Bist du in Ordnung, Killa?« Sein Gesicht war von feinen Striemen und winzigen Tropfen frischen Bluts überzogen. Er trug nur ein Handtuch.
»Ich weiß nicht.«
»Das Kräuterbad tut Wunder. Und dann mußt du etwas essen.«
»Das werde ich. Immerhin geht‘s ja auf Kosten der Gilde.«
Sie brachte es nicht fertig, ihr schmerzendes Gesicht zu einem Lachen zu verziehen.
Nachdem sie mit einem ausgiebigen Bad die schlimmste Müdigkeit aus ihren Muskeln vertrieben hatte, zwang sie sich, zu essen.
Ein hartnäckiges Blöken vom Computer weckte sie am nächsten Morgen. Sie spähte in die Dunkelheit hinter ihrem Bett und begriff jetzt erst, daß die Jalousien vor dem Fenster herab-gelassen waren und draußen noch immer der Sturm tobte.
Die Uhr sagte ihr, daß es 080 und ihr Magen, daß er leer war.
Als sie die Thermodecke zurückschlagen wollte, meldete jeder Muskel laut seinen Protest gegen eine solche Aktivität an. Mit einem leisen Fluch richtete sich Killashandra mühsam auf einem Ellbogen auf. Ihre Finger hatten kaum die Wahltasten des Verpflegungssystems berührt, als in der Öffnung auch schon ein kleiner Becher mit einer brauseartigen blaßgelben Flüssigkeit erschien.
»Der Becher enthält ein Muskelentspannungsmittel, kom-biniert mit einem leichten Analgetikum zur Linderung der Symptome der Muskelverhärtung. Dieser Zustand ist vorübergehend.«
Killashandra fluchte kräftig über dieses, wie sie es fand, zeitlich verwirrend genau berechnete Eingreifen des Computers in ihr Privatleben, leerte aber dennoch den Becher mit der Medizin. Sie schmeckte so süß, daß sie das Gesicht verzog. Nach wenigen Augenblicken fühlte sie sich schon nicht mehr so steif. Sie duschte sich rasch, abwechselnd kalt und heiß, denn seltsamerweise prickelte ihre Haut immer noch von den Angriffen des Sturms vom gestrigen Tag. Während sie ein hochproteinhaltiges Frühstück zu sich nahm, hoffte sie, daß sie heute mehr Zeit zum Essen haben würden. Sie konnte sich nicht vorstellen, daß die Kristallkartons alle an einem Tag sortiert und neu verpackt werden konnten. Außerdem mußte diese Arbeit sicher nicht so schnell vonstatten gehen wie die des Entladen gestern.
Das Sortieren dauerte vier Tage, eine Arbeit, die genauso anstrengend war wie das Kämpfen mit dem Sturm, wenn auch weniger gefährlich. Die Rekruten, die jeder mit einem gelernten Sortierer zusammenarbeiteten, erfuhren eine ganze Menge darüber, wie man Kristalle nicht schneiden sollte, wie man sie verpackte und welche Formen im Augenblick die höchsten Gewinne erzielten. Die üblichen Formen kamen am häufigsten vor, und die meisten der
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