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Die Kristallsaengerin

Die Kristallsaengerin

Titel: Die Kristallsaengerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne McCaffrey
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schwere Seite zu tragen bekam. Diese Seite schmerzte am nächsten Tag dann auch am schlimmsten. Nur einmal hätte sie fast einen Karton verloren: Sie hob ihn aus dem Schiff, und dabei hätte ihn ihr eine plötzliche Böe um ein Haar entrissen. Danach lernte sie, ihre Last mit dem Körper gegen den Wind zu schützen.
    Neben dem erschöpfenden Kampf mit dem Sturm prägten sich an jenem Tag noch zwei weitere Beobachtungen unauslöschlich in Killashandras Gedächtnis ein. Eine andere Seite der Kristallsänger, ihre trübste, wenn sie aus ihren Schlitten sprangen. Die meisten sahen aus, als ob sie sich tagelang nicht gewaschen hätten: Einige hatten frische Wunden, andere zeigten die Spuren von alten. Als sie einmal in den Laderaum eines Schlittens muß-
    te, um die letzten paar Kartons zu holen, schlug ihr ein fauliger Geruch aus dem Hauptraum entgegen, und sie war froh, daß von hinten genügend frische Luft hereinströmte.
    Noch immer wirbelten Schlitten durch die Sturmböen heran und schafften es, auf dem kleinen Raum zu landen, der zur Verfügung stand. Der Sturm war selbst durch ihre Ohrschützer noch zu hören, und die Macht des Windes schlug so brutal gegen ihren Körper wie eine reale Faust.
    »REKRUTEN! REKRUTEN! Alle Rekruten in die Sortierhalle. Alle Rekruten in die Sortierhalle!«
    Benommen fuhr Killashandra herum, um die Ansage auf den Displayschirmen zu überprüfen, dann wurde sie von jemandem untergehakt, und zusammen stapften sie hinaus in den Sturm in Richtung der Sortierhalle.
    Sobald sie im Gebäude waren, wäre Killashandra fast ge-stürzt, sowohl vor Erschöpfung wie auch von dem langen Stemmen ihres Körpers gegen den Wind, der auf einmal nicht mehr da war. Sie wurde von einem zum nächsten gereicht und dann auf einen Stuhl gesetzt. Man drückte ihr einen schweren Becher in die Hände und zog ihr die Schutzmütze vom Kopf, wenn auch kein anderer Laut mehr zu hören war außer müden Seufzern, einem gelegentlichen geräuschvollen Ausatmen, das nicht ganz ein Stöhnen war, oder dem Kratzen von Stiefeln über den Kunststoffboden.
    Killashandra schaffte es, ihre bebenden Hände stillzuhalten, um vorsichtig einen Schluck von der heißen, klaren Brühe zu trinken. Das Stärkungsmittel schmeckte kräftig, und die Wärme strömte sofort durch ihre kalten Glieder; erst jetzt wurde Killashandra bewußt, wie kalt sie waren. Der untere Teil ihres Gesichts, ihr Kinn und ihre Kiefer, die dem schneidenden Wind ausgesetzt gewesen waren, waren ebenfalls steif und schmerzten. Während sie wieder an der Brühe nippte, sah sie über den Rand ihres Bechers hinweg auf die Reihe ihr gegenüber: sah und erkannte die Gesichter von Rimbol und Borton, und weiter unten Celee. Ein halbes Dutzend hatten blaue Augen und aufgeschrammte oder zerkratzte Wangen. Vier Rekruten sahen aus, als hätte man sie mit dem Gesicht nach unten über Kies geschleift. Als sie über ihre eigene Haut fuhr, merkte sie, daß auch sie Abschürfungen davongetragen hatte, ohne es zu spüren, denn ihre tauben Finger waren mit Blutspuren gesprenkelt.
    Neben ihr sog jemand zischend die Luft ein, und sie drehte den Kopf nach links. Ein Arzt tupfte Jezereys Gesicht ab. Ein anderer arbeitete sich die Reihe durch auf Rimbol, Celee und Borton zu.
    »Irgendwelche Verletzungen?« Trotz ihrer erschöpften Benommenheit erkannte Killashandra die Stimme des Gildemeisters Lanzecki.
    Als sie sich überrascht umdrehte, sah sie ihn in einem offenen Eingang stehen; seine dunkelgekleidete Gestalt hob sich nüchtern gegen das Weiß der gestapelten Kartons ab.
    »Oberflächliche, Sir«, antwortete einer der Ärzte nach einem respektvollen Nicken in die Richtung des Gildemeisters.
    »Klasse 895 ist heute eine unschätzbare Hilfe gewesen«, sagte Lanzecki, wobei sein Blick alle dreiunddreißig umschloß.
    »Ich, Ihr Gildemeister, danke Ihnen ebenso wie Frachtaufseherin Malaine. Wenn wir auch die einzigen sind.« Sein Gesicht zeigte nicht die geringste Spur eines Lächelns, aus dem man hätte schließen können, daß die Bemerkung humorvoll ironisch gemeint war. »Bestellen Sie sich zum Abendessen, was Sie möchten: Es wird Ihnen nicht berechnet. Morgen melden sie sich dann hier in der Sortierhalle, wo Sie so viel wie möglich über die Kristalle lernen werden, die heute eingebracht wurden.
    Sie sind entlassen.«
    Er zieht sich zurück, dachte Killashandra. Er verschwindet von der Szene. Wie ungewöhnlich. Aber er ist ja auch kein Sänger. Also keine stürmischen Auftritte wie

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