Die Kristallsaengerin
erfahrenen Sortierer fluchten beständig über Sänger, die Mengen solcher Kristalle geschnitten hatten, von denen schon weit mehr als genug vorrätig waren.
»Von diesen Dingern haben wir schon drei verdammte Lagerräume voll«, murmelte Enthor, dem Killashandra zugeteilt war.
»Wir brauchen und wollen blaue. Und natürlich schwarze. Nein, nein, verkehrte Seite. Sie müssen das lernen.« Er nahm den Karton, den sie gerade auf den Sortiertisch gehoben hatte. »Zuerst müssen Sie den Identitätscode des Sängers zeigen.« Er drehte den Karton so herum, daß der Streifen, der unauslöschlich auf einer Seite eingeätzt war, registriert werden konnte. »Wenn wir diese kleine Hilfe nicht hätten, würde beim Entladen ein wahrer Krieg ausbrechen, und es würde Mord und Totschlag geben, weil die Kartons leicht durcheinander kämen.«
Sobald die Identitätsnummer auf dem Schirm erschien, wurde der Karton ausgepackt und jeder einzelne Kristall vorsichtig auf die Waagschale gelegt, wo Farbe, Größe, Gewicht, Form und Perfektion registrierte. Einige Kristalle legte Enthor direkt auf das Förderband, das sie zu der Jeweiligen Ebene zur Verschiffung oder Lagerung brachte. Andere verpackte er eigenhändig und mit größter Sorgfalt in schützendem Schaumstoff.
Das Sortieren schien eine stumpfsinnig einfache Prozedur. Manchmal war es etwas schwieriger, kleine Kristalle aus den Kartons zu bergen, die in allen möglichen Winkeln in den Schaumstoff geworfen worden waren. Killashandra hätte fast einen kleinen blauen Achtecker übersehen, doch Enthor schnappte sich den Karton, den sie zur Wiederverwendung beiseite stellen wollte.
»Sie können von Glück sagen«, meinte er finster und sah sich mit gerunzelter Stirn um, »daß der Sänger, der das hier geschnitten hat, es nicht gesehen hat. Ich habe schon erlebt, daß sie jemanden wegen einer solchen Nachlässigkeit umbringen wollten.«
»Deswegen?« Killashandra nahm das Achteck hoch, das kaum länger als acht Zentimeter sein konnte.
»Deswegen. Er ist fehlerlos.« Enthor hatte den Kristall mit einer schnellen Bewegung auf die Schale gelegt und überprüfte seine Perfektion. »Passen Sie auf!« Er nahm ihn vorsichtig zwischen Daumen und Zeigefinger und schnippte leicht dagegen.
Selbst über dem Rascheln und Stanzen und den leisen Instruktionen hörte Killashandra den feinen, klaren Ton des Kristalls. Er schien sich in ihrer Kehle zu fangen und durch ihre Knochen bis hinunter zu den Fersen zu wandern.
»Es ist nicht so einfach, kleine Kristalle zu schneiden, und dieses Stück hier ist im Augenblick ein paar hundert Kredite wert.«
Killashandra war so eingeschüchtert, daß sie jetzt sorgfältig mit den Fingern einen Schaaumstoffkarton durchsuchte, der ihr zu schwer vorkam, um leer zu sein. Sofort wurde sie von Enthor gerügt, der ihr ihre Handschuhe um die Ohren schlug, bevor er einen von seinen auszog und ihr seine Finger zeigte, die mit blaßweißen Narben bedeckt waren.
»Das kommt von den Kristallen. Selbst durch die Handschuhe und trotz Symbiose. Bei Ihnen würden sie eitern.
Und mir würde man wegen Nachlässigkeit den Lohn kürzen.«
»Den Lohn kürzen?«
»Der Ausfall von Arbeitszeit aufgrund unzureichender Siche-rungsmaßnahmen gilt als abziehbar. Bei Ihnen genauso, auch wenn Sie ein Rekrut sind.«
»Wir werden für diese Arbeit hier bezahlt?«
»Natürlich.« Enthor war ungehalten über ihre Unwissenheit.
»Und Sie haben Gefahrenzulage für das Entladen gestern bekommen. Wußten Sie das nicht?«
Killashandra starrte ihn überrascht an.
»Genau wie alle neuen Rekruten.« Er lachte gutmütig. »Sie fühlen sich wohl noch nicht ganz so fit nach gestern, was? Und heute morgen ein Becher Brause? Habe ich mir gedacht. Das Zeug bekommen alle, die in einem Sturm arbeiten. Das hilft.
Und es kostet auch nichts.« Er lachte wieder. »Sie wissen ja, daß die medizinische Behandlung kostenlos ist, oder?«
»Aber Sie haben doch gesagt, man würde Ihnen den Lohn kürzen ...«
»Wegen Dummheit, wenn ich die nötigen Sicherheits-vorkehrungen unterlassen würde.« Er winkte mit den Händen, die jetzt wieder in ihren robusten, enganliegenden Handschuhen steckten. »Nein, nehmen Sie den Karton nicht. Lassen Sie ihn mir. Holen Sie sich den nächsten. Fugastri ist nämlich gerade hereingekommen. Er ist ein wahrer Teufel, aber bei mir hat er noch nie etwas auszusetzen gehabt!«
»Vielen Dank, daß Sie mir so helfen ...«
»Sie helfen mir, und wir werden beide aus derselben
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