Die Kristallsaengerin
gehabt, dies auch in natura zu sehen. Die Oberfläche dieses zerklüfteten, wilden, alten Planeten unterstrich die Künstlichkeit der Welt der Theaterkünste und ihre ständige Suche nach der »neusten« Ausdrucksform. Früher waren die Theaterstücke ihr ein und alles, der Wunschtraum ihres Strebens gewesen, doch Ballybran, in seinem ewigwährenden Kampf ums Überleben gegen gigantische Naturgewalten, berührte einen ganz anderen Instinkt in ihr.
Die Rekruten sahen sich die Wetterstation an, deren Sensoren voll ausgefahren waren. Der dicke Hauptteil des Systems war ganz aus der Anlage heraus, in die er sich wie ein Tier, das sich in seine Höhle verkroch, bei »unfreundlichem Wetter« zurückziehen konnte. Die Ausdrucksweise ihres Führers rief gequältes Lachen hervor. Er lächelte sogar über ihre Reaktionen. Die Ballybraner hatten auf Killashandra einen humorlosen Eindruck gemacht, und sie fragte sich, ob sie durch das Fieber ihren Sinn für Lächerlichkeit verlieren würde. Rimbol wäre nicht mehr derselbe, wenn er keinen Spaß mehr machte.
Dann kündigte Tukolom an, daß sie dem Techniker dabei helfen würden, die Wetterstation mit einem Schutzanstrich gegen Partikel, die der Sturm mitbrachte, zu versehen. Die Rekruten mußten zuerst den alten Film abkratzen, was weiter keine mühsame Arbeit war, da der Sturm den größten Teil der Substanz, die weder ein Gelee, noch ein Schmiermittel noch richtige Farbe war, schon entfernt hatte.
Das Abkratzen und Anstreichen beruhigte Killashandra, denn sie mußte sich darauf konzentrieren, gleichmäßig zu pinseln. Es war besser, wenn sich die einzelnen Pinselstriche überschnitten, als wenn dazwischen Stellen frei blieben. Sie konnte sehen, wo die Legierung des Arms, an dem sie arbeitete, dünne Rillen aufwies, die erkennen ließen, daß andere Arbeiter nicht so ge-wissenhaft gewesen waren wie sie. Die Konzentration auf ihre Arbeit hielt sie davon ab, über solche beunruhigenden Dinge wie Rimbols »zufriedenstellenden« Zustand und Jezereys Krämpfe nachzudenken.
Borton bekundete seine Sorge durch laute Beschwerden auf dem Rückflug; immer wieder fragte er Tukolom nach mehr Einzelheiten als die »zufriedenstellende« Diagnose. Obwohl Killashandra die Angst des ehemaligen Shuttlepiloten um seine Freundin verstehen konnte, begann seine Quengelei sie zu ärgern. Sie war ernsthaft versucht, ihm zu sagen, endlich damit aufzuhören, aber die Arbeit an der Wetterstation hatte sie müde gemacht, und sie konnte nicht die Energie aufbringen, zu sprechen.
Als der Transporter endlich wieder auf dem Hangar landete, achtete sie darauf, daß sie als letzte ausstieg. Sie wollte nichts weiter als ein heißes Bad und ihre Ruhe.
Das Bad erfrischte sie allerdings nicht. Sie bestellte sich ein Yarra-Bier und bat um eine Auskunft über Rimbol. Er war immer noch »zufriedenstellend«, und das Bier schmeckte schal. Ein anderer Schub, dachte sie, völlig unter dem Niveau der Gilde.
Aber sie trank es trotzdem, während sie zusah, wie der sich dem Ende neigende Tag ihren Hügel in schnellem Wechsel dunkel-rot und braun färbte. Sie ließ das halbvolle Bier stehen, streckte sich auf dem Bett aus und fragte sich, ob die Müdigkeit, die sie fühlte, kumulativ oder der Beginn des Symbiosefiebers war. Ihr Puls war normal, und ihr Gesicht war nicht gerötet. Sie zog die Thermaldecke über sich, rollte sich auf die Seite und schlief ein mit dem Gedanken, wer von den Rekruten am nächsten Morgen noch übrig sein würde.
Beim Geräusch des summenden Weckers fuhr sie aufrecht aus dem Bett hoch.
»Was soll dieser gräßliche Krach?« schrie sie und hielt sich die dröhnenden Ohren zu.
Dann blickte sie sich überrascht um. Die Wände ihres Zimmers hatten auf einmal keine neutrale Farbe mehr, sondern funkelten in vielen Tönen in der übergrellen Morgensonne. Sie drückte den Knopf, der das Fenster undurchsichtig werden ließ, damit die blendenden Strahlen aufhörten. Killashandra fühlte sich ungewöhnlich frisch und ausgeruht, und ihr Kopf war klarer als seit jenem Morgen, als ihr bewußt geworden war, daß sie weder Fuerte noch der Musikschule länger Treue schuldig war. Der Teppich auf dem Weg ins Bad fühlte sich seltsam rauh an. Um sich herum nahm sie feine Gerüche wahr, ätzend und scharf, die von dem Duft überdeckt wurden, den sie benutzte.
Sie konnte sich nicht erinnern, die Flasche am gestrigen Abend umgestoßen zu haben. Das Wasser, mit dem sie sich Gesicht und Hände wusch, besaß eine
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