Die Kristallwelt der Robina Crux
und starrten begeistert dem Unbekannten entgegen, das auf ungebräuchlicher Frequenz stereotyp Unverständliches sendete. Sie stürzten auf die helle Schale zu, das Bild fiel zusammen, Robina stürzte außerhalb des Raumschiffes weiter, hinein in das Funkeln der Kristalle, die bedrohlich auf sie zu wuchsen, ihr die Obeliskenspitzen von allen Seiten entgegenreckten – und der Flug nahm kein Ende… Licht flirrte, dann schlug Robina auf.
Sie lag auf dem Rücken, wieder kreisten Sterne, die jedoch nicht näher kamen. Einer löste sich, blähte sich auf zu einem Raumschiff, einem kugeligen, wurde größer. Dann entstand ein Gesicht darin, das unübersehbar nah vor ihr stand, ihr zublinzelte, sie dann anpustete, sich in eine durchscheinende Blase verwandelte und platzte.
Robina riß die Arme empor, ruckte mit dem Oberkörper nach oben. Aber ihr Kopf hob sich nur wenige Millimeter, er schien riesig und schwer, gar nicht zum Körper gehörig. Dumpf und schmerzhaft schlug er auf.
Dann fühlte Robina kaltes Blut, in dem sie lag. Sie wälzte den Kopf; es wurde ihr leicht. So ist das also, dachte sie, wenn es vorbeigeht, wenn das Seil aufspleißt…
„Nein!“ Sie hatte es geschrien und fuhr hoch, kam einige Atemzüge lang zu sich.
Sie spürte, wie es ihr kalt den Rücken hinunterrann, schlug erschrocken die Hand in den Nacken, griff in nasses, strähniges Haar. Es war Wasser.
Sie sah sich um, es schien, als wolle der Kopf nicht dem Willen gehorchen.
Ein Kanister war umgestürzt. Mit dem Kopf hatte sie in der Wasserlache gelegen.
Leise zischte ein Sauerstoffventil. Es lag in ihrer Reichweite; sie drehte es zu. Es fiel ihr schwer, als sei die Kraft aus der Hand gewichen. Etwas essen… Sie erfingerte mühsam die Behälter mit dem Konzentrat am Anzug, schüttelte sich angeekelt, als sie dabei den vollen Absorberbeutel berührte, hatte dann noch die Kraft, von der Stange des Nahrungsmittels ein Stück abzubrechen und in den Mund zu schieben. Ich müßte eine Tablette… Sie sah sich um, dann fiel ihr ein: Der Arzneikoffer lag draußen vor der Schleuse.
Robina gab der scheinbaren Schwere des Kopfes nach. Sie fand nicht die Kraft aufzustehen.
Plötzlich ritt sie auf dem Rumpf des Beibootes, das mit ihr die Wände der Kristalle hinauf- und hinabschoß, und sie lachte, und sie sah auch, wie ihre langen Haare hinter ihr herflogen.
Dann war es nicht mehr das Beiboot, sondern die Schaukel im Vergnügungspark der EVO. Neben dem Schiffchen, in dem sie lachend hockte, standen die Eltern und Ed. Es war Robinas erster Tag an der EVO. Ed würde sie einweisen, ihm stand das zu; denn er war ihr zwei Jahre voraus. Sie war mächtig stolz und freute sich auf die Schule. Und die Eltern glaubten, ihr mit der Schaukel und den anderen Rummelapparaten auf den Geschmack helfen und den Abschied erleichtern zu müssen.
Aber da war endlich wieder Ed, der große. Und der nahm seine Aufgabe ernst, die kleine Schwester, die ihn bewunderte, einzuführen. Der Abschied war eine beinahe lästige Notwendigkeit, die sie gerade noch mit kindlichem Takt über sich ergehen ließ. Die letzten Mahnungen glitten an ihr ab…
Einige Male kam Robina zu sich. Dann saß sie apathisch an den Sessel gelehnt, schob mechanisch einige Brösel von dem verstreut um sie herumliegenden Konzentrat in den Mund, trank einen Schluck und verfiel bald wieder in ihr dumpfes, zusammenhangloses Wachträumen. Es war wirres, von bohrendem Kopfschmerz überlagertes Zeug, das durch ihre Erinnerung spukte. Die Kindheit vermischte sich mit der jüngsten Vergangenheit, phantomgleich huschten Gesichter durch ihr Unterbewußtsein. Frank, die Gefährten aus der REAKTOM standen neben den Eltern, bei Ed oder Boris. Dazwischen Schulkameraden, Lehrer – und immer wieder Kristalle…
In den wenigen Augenblicken, in denen Robina zu klarem Bewußtsein fand, meldete sich die Vernunft. Du mußt aufstehen, den Anzug abstreifen, die Absorber erneuern…!
Aber nicht einer der zaghaft klopfenden Gedanken war stark genug, sie in Bewegung zu setzen. Nicht einmal einen Blick zur Uhr brachte sie zustande, weil dazu das Heben des Armes notwendig gewesen wäre. Daran änderte auch die unbewußte Einsicht nichts, daß sie sich gehenlasse und daß der Schmerz das nicht entschuldige.
Öfter dachte sie daran, diesen Schmerz zu vertreiben, den Medikamentenkoffer in die Schleuse zu holen. Fast schien es, als gäben solche Gedanken neue Kraft. Einmal zog sie sogar den Helm ein Stück zu sich heran. Aber er
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