Die Kristallwelt der Robina Crux
erschien ihr unsagbar schwer. Sie hielt inne, der Kopf fiel zur Seite, und das Pochen hinter den Schläfen ergriff wieder Besitz von ihr.
Robina kam zu sich. Sie fühlte sich benommen, aber eigenartig frei und leicht. Es war wie ein Schwindel, der sie umfaßt hielt, als trüge sie ein über alle Maßen großer Fallschirm, der ab und an von einer Bö gepackt wird oder in ein Luftloch sackt. Ihr fehlte jede Orientierung.
Aber da war noch etwas in ihr: Sie spürte grimmigen Hunger!
Langsam öffnete Robina die Augen und sah – nichts. Es herrschte milchige Dämmerung.
Ganz allmählich, wie in kleinen Portionen, nahm sie ihre Lage wahr. Sie probierte die Gliedmaßen, ja Finger um Finger, und sie stellte so fest, daß sie bäuchlings auf hartem glattem Untergrund lag und daß sich ihr Gesicht an die Helmscheibe drückte.
Mit der Orientierung stellten sich zögernd Erinnerungsfetzen ein, das Wrack, Arzneikoffer, Schleuse…
Plötzlich wurde es Robina heiß. Wo befinde ich mich eigentlich? Sie zog behutsam die Arme an. Jetzt! befahl sie sich, und sie versuchte den Kopf zu heben. Erst in diesem Augenblick bemerkte sie, wie kraftlos sie war.
Und dann erkannte sie die Umgebung: Rechts von ihr stand, schon ein Stück in der Ebene, der violette Oktaeder. Vor ihr breitete sich der erstarrte See, hinter sich wußte sie den Eingang zur Grotte.
Robina fühlte, daß sie vor Schwäche nicht in einem Zuge aufzustehen vermochte. Sie drehte sich seitlich, winkelte die Beine an und rollte sich in den Sitz hoch. Es schien ihr, als schwanke alles um sie herum. Nur langsam kamen Kristalle und Höhleneingang, in dessen Richtung sie jetzt blickte, zur Ruhe.
Robina griff hastig zur Helmsicherung. Eingerastet! Das autonome Anzugsystem funktionierte, wie ihr ein Blick zur Kontrollskala am Gürtel verriet.
Ein gelinder Schreck durchfuhr sie, als sie zur Uhr sah. Sie mußte es mehrmals tun, vermochte nicht zu fassen, daß seit der Havarie siebenundzwanzig Tage verstrichen sein sollten, irdische Tage.
„Das ist nicht möglich!“ murmelte sie immer wieder. „Wie bin ich nur hier herausgekommen…?“
Aufstehen konnte Robina nicht. Die Beine versagten den Dienst. Langsam kroch sie auf den Schleuseneingang zu.
Zuerst traf sie auf liederlich umherliegende Medikamente, dann sah sie den offenen, umgestürzten Koffer, darüber stand, sperrangelweit klaffend, die Außenluke der Schleusenkabine. Robina konnte in den Innenraum hineinsehen, ein Zeichen, daß auch die Innenluke nicht schloß, Druck und Atmosphäre der Kabine also entwichen waren. „Eine schöne Schweinerei!“ sagte Robina laut.
Sie hangelte sich zur Schleuse hoch, hatte Mühe, den schlaffen Körper hineinzuzwängen. Mit Anstrengung schloß sie die Luke. Dann schleppte sie sich zu den Ventilen der Lufttanks, nahm das Reserveventil, weil ihre Kraft zum Öffnen des Hauptschiebers nicht ausreichte, und ließ sich, als leises, anschwellendes Zischen den Raum erfüllte, erschöpft zurücksinken.
Noch bevor der Druckregler das Ventil schloß, löste Robina den Helmverschluß. Entfernt wurde ihr bewußt, daß sie damit schon wieder gegen das Reglement verstieß. Sie lächelte.
Aber dann spürte sie, daß sich im Raum doch noch zu wenig Luft befand. Sie mußte tief und schnell atmen.
Aber schon griff sie nach den herumliegenden zerdrückten Resten von Nahrungskonzentrat. Sie stopfte sich das noch Verharschte mit beiden behandschuhten Händen in den Mund, kaute gierig und schluckte unter Beschwerden.
Nur allmählich meldete sich der Verstand. Sie fühlte, daß der dem Konzentrat innewohnende Sättigungspunkt längst überschritten war, suchte noch einige guterhaltene Würfel, kaute sie bedächtig, nahm einen frischen Wasserkanister, hielt im Trinken inne, weil sie daran dachte, daß Wasser wahrscheinlich das sein würde, was die Dauer ihres Überlebens bestimmte, und dann lehnte sie sich beinahe zufrieden, ja froh zurück.
Bald gab sie den Versuch auf, sich an die letzten Geschehnisse zu erinnern. Sie wußte nicht, wie sie den Helm aufgesetzt, die Schleuse verlassen und das Medikament eingenommen hatte. Es war eben geschehen, wahrscheinlich noch im richtigen Augenblick…
Und dann kamen langsam die Zweifel wieder.
War es wirklich der richtige Augenblick gewesen? Wäre es nicht vielleicht besser, sie hätte das Medikament nicht genommen oder ein falsches gegriffen?
Sie sah sich vor dem Eingang liegen, für ewig oder – oder bis zu dem
Zeitpunkt, da man sie fand…
Nein, es gab
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