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Die Kristallwelt der Robina Crux

Die Kristallwelt der Robina Crux

Titel: Die Kristallwelt der Robina Crux Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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mochte und daß alles, was sie gegen seinen Einfluß mühevoll aufgebaut hatte, auf tönernen Füßen stand. Und was sie seinem Kuß entgegensetzen konnte, war dessen Erwiderung. Ja – so hatte es begonnen.
    Robina streckte die Beine weit von sich, besann sich, daß das in die
sen heiligen Hallen möglicherweise unschicklich sein könnte, und
brachte sich wieder in Haltung.
Eine glückliche Zeit war das.
    Auf einmal fiel Vaters Dickfelligkeit viel weniger auf die Nerven, Willfarts Anzüglichkeiten schrumpften zur Belanglosigkeit, die Einsamkeit, das Sehnen nach etwas Unbestimmtem entschwanden wie Schiffe in ferne Galaxien.
    Und Boris' anfangs unverständlicher Wunsch nach Zurückhaltung, ja Heimlichtuerei in der Öffentlichkeit – es ginge doch schlecht, ein Lehrer-Schüler-Verhältnis, darunter litte bei aller Freizügigkeit die Autorität – gaben dem Ganzen eine eigentümliche Note.
    Robina schöpfte Kraft aus dieser Beziehung zu Boris, glaubte, daß die Ausgeglichenheit, die sie nun verspürte, dazu beitrug, die Felder noch rascher zur Räson zu bringen. Sie bestand darauf, daß heiße Versuche gefahren wurden. Und als dem stattgegeben wurde, kam sie sich – wenn sie die heißen Felder der Studierenden einregelte, Felder, von denen jedes immerhin eine solche Menge Antimaterie hielt, wie nötig gewesen wäre, um das gesamte Labor zu pulverisieren – vor wie ein schachspielender Großmeister, der souverän gegen eine Gruppe von Anfängern simultan spielt.
    Ja, damals war ich in Hochform, es muß damals auch jemand auf mich aufmerksam geworden sein, wie wäre es sonst zu dem Vorschlag gekommen, mich Küken für die REAKTOM vorzusehen.
    Robinas Gedanken waren zum Dom zurückgekehrt. Das Hallenschiff hatte sich geleert. Es ging auf Mittag zu. Touristen haben einen geregelten Tag.
    Absurder Gedanke, das mit der REAKTOM! Das alles – Robina sah um sich, dachte an den sonnenüberströmten Platz mit den Tauben draußen – für lange zwölf Jahre gegen einen, zugegeben, gut eingerichteten Blechkasten zu vertauschen, statt der gemalten Sterne hier echte, Milliarden, grelleuchtend sollen sie sein, aber nichts als Schwärze ringsum… Gefährten, die ich nicht kenne, mit denen ich mich vielleicht nicht verstehe. Und das alles nur, weil ich in der Lage sein soll, mit hei ßen Haltefeldern so umzugehen wie Kinder mit einem Hampelmann. So jedenfalls hatte sich Donas ausgedrückt.
    Langsam stand Robina auf und ging zum Ausgang. Die offene Tür gab den Blick auf den Vorplatz frei. Draußen fiel ein mittlerer Regen. Ulkige Einrichtung, dachte Robina. Mittags lassen sie es hier regnen. Dann erinnerte sie sich der blendenden Sonne, die während der Fahrt ins Abteil geschienen hatte und dort, wo ihre Strahlen hintrafen, trotz der Klimatisierung ordentlich aufheizte. Sie empfand die Frische und den Regenduft, die ihr vom Portal her entgegenwehten, als angenehm. Tauben- und menschenleer war der Platz. „Ein heißer Tag heute.“ Die Stimme neben Robina klang krächzig.
    Robina wandte sich seitwärts. Ein alter, scheinbar eingetrockneter Mann stand schräg hinter ihr und betrachtete sie aus wäßrigen Augen. Er stand gebeugt, hatte dünnes, schlohweißes Haar, und nur Haut umspannte die Schädelknochen. Er mochte hundertzwanzig Jahre alt sein, schätzte Robina.
    Sie nickte. Dann erschien ihr das wenig höflich gegenüber dem alten Mann, und sie sagte: „Aber hier drin ist es schön kühl, wahrscheinlich doch immer.“
    „Ja“, der Alte nickte bedächtig. „Kühl und groß“, krächzte er. „Größe braucht Kühle. Komm!“ Er stand gebeugt und wies, Robina von unten her anblickend, zurück in das Mittelschiff.
    Robina warf einen Blick nach draußen. Soeben ergriff die Nässe vollends Besitz von den Plastplatten, also, einige Minuten würde der Regen sicher noch dauern, wenn er einen Sinn haben sollte. Zögernd ging sie mit. Ganz hinten im Dom saßen vereinzelt einige Leute.
    Der Alte lief mit kleinen Trippelschrittchen vor Robina her, den Mittelgang zwischen den Bankreihen entlang, machte gegenüber dem Altar an einer großen dunklen Kiste halt, deren Zweck Robina im Dämmerlicht zunächst nicht begriff.
    Er schlug einen Deckel zurück. Eine Tastatur, das Ganze eine Orgel.
    Der Alte nickte Robina zu, schlug noch im Stehen einen mächtigen Akkord an, ließ sich gebückt auf den Schemel gleiten und versank für Minuten in virtuosem Spiel.
    Robina war gefangen. Noch nie hatte sie original in einem solchen Raum eine gut

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