Die kritische Dosis
erzählen.«
»Genieren Sie sich nicht, Sergeant«, sagte Phyllis. »Fühlen Sie sich wie zu Hause.«
Wir setzten uns.
Sellers begann: »Vor etwa einer Woche wurde im Norden der Stadt eine Mrs. Harvey W. Chester, eine Frau mittleren Alters, von einem Wagen angefahren, der dann weiter raste und sie auf der Kreuzung liegenließ. Sie hatte ziemlich üble Prellungen und Quetschungen, aber offenbar keine Knochenbrüche. Das Verkehrsdezernat bekam den Bericht, und eine mehr oder weniger routinemäßige Ermittlung lief an. Wir fuhren zum Unfallort. Aus ihrem Kleid war ein Stück Stoff herausgerissen worden. Die Sache gefiel uns nicht, denn wir haben es gar nicht gern, wenn uns einer dieser rücksichtslosen Sonntagsfahrer durch die Lappen geht.«
Sellers holte Atem, sah sich um, fischte eine Zigarre aus der Tasche und steckte sie in den Mund. »Nicht hier!« sagte Phyllis scharf.
»Wie bitte?«
»In meiner Wohnung werden keine Zigarren geraucht«, bestimmte sie.
Sellers zögerte einen Augenblick, schnappte dann nach Luft, nahm die Zigarre aus dem Mund und verstaute sie wieder in der Tasche.
»Manchmal versucht der Schuldige bei diesen Fahrerfluchtfällen«, fuhr er fort, »hinter dem Rücken der Polizei mit dem Opfer einen Vergleich zu schließen; wenn wir den Kerl dann erwischen, stehen wir ohne Belastungszeugen da. Das haben wir gar nicht gern.
Donald Lam ist Privatdetektiv und versteht sein Fach, das muß ihm der Neid lassen.
Zufällig stellen wir nun fest, daß Mrs. Harvey W. Chester auf geheimnisvolle Weise von der Bildfläche verschwunden ist, nachdem Donald ihr einen Freundschaftsbesuch abgestattet hat. Sie hat ein hübsches Bündel Hundertdollarscheine mit in die Versenkung genommen und war im übrigen bester Laune, als sie zuletzt gesehen wurde.
Aus dem uns vorliegenden Material ergibt sich, daß die Summe nicht nur ein Schmerzensgeld war, sondern daß auch der Versuch gemacht worden ist, eine Anzeige wegen Fahrerflucht durch eine Geldzahlung an das Opfer zu verhindern, und das ist strafbar.
Ich habe Beweise dafür, daß Donald Lam ihr das Geld ausgezahlt hat. Vermutlich hat er auch irgendwo die Quittung dafür. Ich habe ihm einen Termin gesetzt, bis zu dem er mir den Namen seines Klienten zu nennen hat. Sonst werde ich ein Verfahren gegen ihn einleiten, und dann ist er seine Lizenz los.
So, und nun würde mich mal interessieren, was Ihr beiden dazu zu sagen habt.«
Phyllis machte den Mund auf, aber Colton Essex kam ihr zuvor.
»Nichts«, zischte er.
»Was soll das heißen?« fragte Sellers.
»Genau das: nichts«, antwortete Essex.
»Dann muß ich eben andere Saiten aufziehen.« Sellers stand auf, ging zum Telefon und wählte das Revier. »Ich bin in den Parkridge Apartments, Nummer 609. Auf dem Parkplatz steht ein neuer Cadillac mit einem verbeulten vorderen Kotflügel. Die Zulassungsnummer ist ODT 067. Meiner Meinung nach ist das der Wagen, der in diesen Unfall mit Mrs. Harvey W. Chester verwickelt war. Fahrerflucht, Sie wissen ja... Schicken Sie einen Abschleppwagen her und holen Sie den Wagen ab. Lassen Sie ihn im Polizeilabor untersuchen, und zwar genau. Sehen Sie vor allem zu, ob Sie ein paar Fäden finden, die zu dem Kleid passen, das die Chester zur Zeit des Unfalls trug.« Er horchte einen Augenblick. »Gut«, sagte er. »In Ordnung.«
Er legte auf und wandte sich an Phyllis: »Wir beschlagnahmen Ihren Wagen als Beweisstück. Wenn wir ihn gründlich untersucht haben, bekommen Sie ihn zurück.«
»Darf er das tun?« fragte Phyllis Colton Essex.
»Wie du siehst, hat er es bereits getan«, sagte der Anwalt.
»Da im guten mit Ihnen nicht zu reden ist, will ich gleich noch einiges klarstellen. Es handelt sich hier um mehrere Vergehen: erstens Fahrerflucht, zweitens rücksichtsloses Fahren und drittens möglicherweise Trunkenheit am Steuer. Daneben sollte durch die Geldzahlung eine Strafverfolgung verhindert werden, und das ist für sich allein schon ein schwerer Brocken.«
Sellers wandte sich an mich. »Und auf Ihr Konto geht außerdem noch die Weigerung, mit der Polizei zusammenzuarbeiten; Sie haben Beweismaterial in einem Kriminalfall zurückgehalten.«
»Was soll das heißen — Zurückhalten von Beweismaterial?« fragte Colton Essex.
»Habe ich mich nicht deutlich ausgedrückt?«
»Vorhin haben Sie gesagt, Sie hätten Donald Lam eine Frist gesetzt, den Namen seines Klienten zu nennen.«
»Ganz recht.« Sellers sah den Anwalt etwas erstaunt an.
»Ist diese Frist
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