Die Krone der Macht
legten. Dann trugen sie im Feld hinter der Scheune zwei Holzstöße zusammen, die sie dem Brennholzvorrat des Wirtes entnahmen. Auf einen der Scheiterhaufen schleppten sie die beiden Strolche, die Sarja besiegt hatte.
Doch nun galt es, den Körper des toten Ungeheuers auf den anderen Scheite rhaufen zu werfen. Nador wandte sich zu Sarja und legte ihr beide Hände auf die Schultern: „Ich weiß, dass es eine Qual für dich sein wird, dieses Ding zu berühren. Aber ich brauche deine Hilfe. Das Graben hat mich viel Kraft gekostet, und die Wunde am Bein macht mir mehr zu schaffen, als ich gedacht habe.“
„Bringen wir es hinter uns!“ sagte Sarja und wandte sich der Stelle zu, wo das Untier lag. Nador ergriff das Geschöpf bei den Schultern, und Sarja fasste seine Füße. Ihre Hände brannten wie Feuer, und der Stein pulsierte schmerzhaft und heiß gegen ihre Brust. Eine starke Übelkeit stieg in ihr hoch, aber sie Biss die Zähne zusammen und schleppte den schweren Körper mit bis zum Scheiterhaufen, wo sie das Wesen mit letzter Kraft hinaufwarfen. Nador holte aus einem der Vorratsräume zwei große Kannen Öl und goss dieses über die Holzstöße und die Kadaver. Dann entzündete er eine Fackel, die er nacheinander in beide Holzstöße hielt. Das ölgetränkte, trockene Holz flammte sofort auf, und kurze Zeit später schlugen die Flammen über den Körpern zusammen.
Als das Feuer den Leib des Untieres erfasste, ertönte plötzlich ein grässliches Kreischen. Der Körper bäumte sich auf, als sei das Wesen noch lebendig, doch dann sank er verkohlt in sich zusammen.
Nador und Sarja waren bei dem Schrei vom Scheiterhaufen geflohen, halb e rwartend, dass das Ding heruntersteigen würde.
Dicke schwarze Qualmwolken stiegen aus dem Feuer auf und verbreiteten e inen bestialischen Gestank. Die beiden zogen sich noch weiter zurück und beobachteten aus sicherer Entfernung die beiden Holzstöße. Auch der andere Scheiterhaufen qualmte, jedoch so, wie es bei Feuerbestattungen üblich war. Über dem Ende des Untieres aber stand eine schwarze Rauchsäule, die auch der heftige Wind kaum zerstreuen konnte.
Atemlos stieß Nador hervor: „Hast du den Schrei gehört, Sarja? Er hat mir das Blut gefrieren lassen. Ich dachte mir, dass noch Leben in der Kreatur war, und es wäre uns vielleicht böse ergangen, wenn wir sie nicht verbrannt hätten. Darum wollte ich sie dem Feuer übergeben und zur Sicherheit auch die beiden anderen. Denn nur Feuer und Gift können diese Wesen völlig vernichten.“
Sarja starrte bleich und zitternd auf den schrecklichen Scheiterhaufen. Sie sagte nichts und stand nur wie gebannt da, die Hände ineinander verkrampft. Behutsam legte Nador ihr den Arm um die Schultern und führte sie ins Haus zurück. Erst hier schien sich ihre Erstarrung zu lösen, und plötzlich warf sie die Arme um seinen Hals und drückte ihren bebenden Körper fest an ihn. Mit einem wehmütigen Lächeln nahm Nador die schlanke Gestalt in die Arme und hielt sie fest. So standen sie eine Weile eng umschlungen, bis Nador ihre Arme von seinem Hals löste und sie sanft von sich schob. Sie hob die Augen zu ihm auf, und der Ausdruck in ihnen ließen Nador innerlich vor Qual aufschreien. Es durfte nicht sein, dass sie ihm diese Gefühle entgegenbrachte, nicht ihm und nicht in dieser fast aussichtslosen Lage, in der sie sich befanden! Es musste ihm gelingen, ihr vorzumachen, dass er in ihr nur das kleine Mädchen sah, die Tochter seines Ziehbruders, und nicht die schöne, begehrenswerte Frau, auf die sich sein Verlangen und seine Liebe mit jeder Faser seines Herzens richteten.
„Mein liebes Kind“, sagte er darum leichthin, obwohl er sie am liebsten in seine Arme gerissen und geküsst hätte, „du hast so viel Schweres durchgemacht und so viel Schreckliches erlebt, dass es verständlich ist, dass du dich nach Liebe und Geborgenheit sehnst. Beides sollst du bei mir finden, denn du bist die Tochter des Mannes, der mir stets ein Bruder war, und der Frau, die ich mein ganzes Leben lang verehrt habe. Darum liebe ich dich wie mein eigenes Kind und werde dich genauso schützen, als wärest du meine eigene Tochter.“
Sarja sah Nador noch immer stumm an. Dann löste sich eine Träne aus ihren Augen, und sie drehte sich schnell um.
„Ich verstehe!“ murmelte sie und betrat rasch die Schlafkammer. Nador hörte, wie sie sich dort auf ihr Bett warf. Er stand im Flur, die Hände zu Fäusten geballt. Sollte er ihr
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