Die Krone der Macht
geblieben, die ihrem Gesicht einen kriegerischen Ausdruck verlieh. Nador betrachtete Sarja eingehend. Nein, niemand würde merken, dass sie ein Mädchen war, zumal ihre Stimme einen dunklen, vollen Klang hatte, der sehr wohl zu einem Jüngling passte.
„Du solltest dein Schwert ablegen“, meinte Sarja. „Es sieht eigenartig aus, wenn du mit der schweren Waffe über einen Festplatz gehst und würde die Leute nur misstrauisch machen.“
Etwas widerstrebend folgte Nador ihrem Rat, da er sich ungern von der Waffe trennte. Aber er sah ein, dass sie Recht hatte. Wenig später traten sie auf den Marktplatz hinaus und mengten sich unter das Volk. Nach dem Nador etwas zu essen gekauft hatte, schlenderten sie über den Platz. Obwohl sie sich bemühten, sich genauso ungezwungen zu benehmen wie alle, traf doch mancher neugierige Blick das seltsame Paar, den zierlichen Jüngling, der wie ein Edelmann gekleidet war, und den großen, dunklen Mann, dessen breite Gestalt durch die Missbildung doppelt auffiel. Gelegentlich fingen sie spöttische Bemerkungen auf, und Nadors Hand fuhr mehr als einmal zum Dolch. Doch stets legte Sarja ihm beschwichtigend die Hand auf den Arm, und unter ihrem liebevollen Blick beruhigte er sich wieder. Er wusste selbst nicht, warum er so gereizt reagierte, da ihn sonst derartige Dinge völlig kalt gelassen hatten, da er seit seiner Jugend an solche Hänseleien gewöhnt war. Es lag wohl daran, dass er nicht wollte, dass Sarja stets daran erinnert wurde, dass der Mann, den sie liebte, nicht so war wie andere. Doch ansonsten genoss er es, an ihrer Seite einige unbeschwerte Stunden zu verbringen und den Gedanken an ihre schwere Aufgabe für eine kurze Zeit beiseiteschieben zu können.
Sie verbrachten einen herrlichen Tag. Am Abend kehrten sie in der Schänke des Wirtes ein, bei dessen Bruder sie wohnten. Sie wurden von ihm mit dem Respekt bedient, den das Gold bei ihm hervorgerufen hatte. Das höfliche Gebaren des Wirtes und Nadors finsterer Blick veranlassten auch die anderen Leute an ihrem Tisch, eventuelle spöttische Bemerkungen zurückzuhalten. Und so verlief der Abend sehr harmonisch.
Am nächsten Morgen berieten Sarja und Nador über den weiteren Verlauf ihrer Reise. Nador wollte Sarja gern noch ein wenig Zerstreuung gönnen und schlug darum vor, dass sie noch einen weiteren Tag in Mandora bleiben sollten. Sarja stimmte ihm zu: „Das ist mir nur recht, denn ich habe das Gefühl, als sollte ich noch nicht von hier fort gehen. Irgendetwas wird geschehen, doch meine Ahnung schwankt zwischen Furcht und Freude.“
„So wollen wir auf der Hut sein“, sprach Nador, „damit wir rechtzeitig merken, wenn uns Gefahr droht.“
Sie verbrachten den Vormittag damit, sich die Stadt anzusehen, und Sarja erwarb einige Kleinigkeiten, die sie auf ihrer Fahrt benötigen würden. Nach einem guten Mahl kehrten sie zum Marktplatz zurück und mischten sich wieder unter die feiernden Menschen. Gegen Abend wurde Sarja unruhig.
„Irgendetwas Böses ist in der Stadt“, flüsterte sie Nador zu. „Ich glaube fast, dass eines von Dorons Ungeheuern hier herumschleicht.“
Nador erschrak. „Komm, lass uns in unser Quartier zurück gehen. Hier unter all den Menschen kann uns leicht ein heimtückischer Dolch treffen. Doch es sollte ihnen schwer fallen, ins Haus einzudringen, ohne dass wir sie bemerken.“
Sie bahnten sich einen Weg durch die Menge. Sie hatten jedoch erst ein paar Meter zurückgelegt, als auf der gegenüberliegenden Seite des Marktplatzes ein Tumult ausbrach. Feuer! Feuer! erklangen Rufe aus der Menge. Da sahen sie auch schon, dass aus dem Haus, in dem sie wohnten, Flammen schlugen. Mit gewaltigen Stößen drängte sich Nador durch die Menge, gefolgt von Sarja, die sich dicht hinter ihm hielt. Als sie jedoch das Haus erreichten, sahen sie, dass es unmöglich war, noch hinein zu gelangen. Das Erdgeschoss brannte bereits lichterloh, und das Feuer griff auch schon auf das nächste Geschoss über.
„Unsere Sachen! Alles wird verbrennen!“ rief Sarja.
„Da ist nichts, was sich nicht ersetzen ließe“, beruhigte Nador sie.
Plötzlich ertönte neben ihnen ein Schrei. Eine Frau hatte sich durch die umstehenden Menschen gedrängt und stürzte auf das brennende Haus zu: die Frau des Hauswirts.
„Mein Kind! Mein Kind!“ schrie sie. „Es schläft in der Stube unter dem Dach. Lasst mich durch! Ich muss mein Kind retten!“ und sie wollte sich in die
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