Die Krone der Macht
die wir suchen?“ fragte Nador, während sie in die Richtung eilten, in die der Mann verschwunden war.
„Ich weiß es noch nicht“, antwortete Sarja. „Es drängt mich nur, ihn unbedingt zu treffen.“
Als sie den Marktplatz hinter sich gelassen hatten, war der junge Mann nicht mehr zu sehen. Suchend blickten sie sich um.
„Ich glaube, ich weiß, wo wir ihn finden können“, meinte Nador. „Das fahrende Volk hat seine Zelte auf einer Wiese vor der Stadt aufgeschlagen. Dorthin wird er gegangen sein.“
Sie eilten durch die menschenleeren Gassen zur Stadt hinaus. Niemand begegnete ihnen, denn die Leute waren alle auf dem Festplatz. Nador war die ganze Zeit etwas durch den Kopf gegangen, und nun sagte er auf einmal:
„Wieso ist das Feuer ausgebrochen? Niemand war im Hause seit dem Mittag. Die Frau unseres Hauswirts hat mit uns das Haus verlassen, und ich sah, wie sie vorher das Herdfeuer mit einem Krug Wasser löschte. Das war kein Zufall, dass ausgerechnet das Haus brannte, in dem wir wohnen!“
„Das stimmt!“ sagte Sarja. „Ich bin überzeugt davon, dass hinter diesem üblen Streich ein Feind steckt. Jemand wollte verhindern, dass wir ins Haus zurückkehren.“
Unwillkürlich drehte Nador sich um und blickte zurück, ob jemand sie verfolgte. Doch die Gasse war leer. Trotzdem blieb ein ungutes Gefühl, und er fasste Sarja bei der Hand und zog sie noch schneller mit sich fort. Sie erreichten jedoch das Stadttor, ohne dass irgendetwas geschah.
Vor dem Tor waren auf einer großen Wiese bunte Zelte aufgebaut, und bema lte Wagen standen neben den Zelten. Hier und da brannte ein Feuer, und spielende Kinder rannten schreiend und lachend zwischen den Zelten hin und her. Ein kleiner Hund sprang kläffend auf Sarja und Nador zu.
„Sei still, du Vieh!“ rief ein alter Mann, der sich vom Feuer erhoben hatte und auf sie zu trat. „Womit kann ich dienen, edle Herren? Ihr seid gewiss Fremde wie wir, denn keiner von den Bewohnern der Stadt will mit uns nähere Bekanntschaft haben und würde daher auch nicht in unser Lager kommen. Sie sehen zwar gern unsere Künste, ansonsten aber zählen wir für sie zum Gesindel.“
„Wir suchen den jungen Seiltänzer“, sagte Nador. „Könnt Ihr uns sagen, wo wir ihn finden?“
„Ástino!“ rief der Alte zu einem der Zelte hinüber. „Komm her! Zwei fremde Herren wollen mit dir reden.“
Der Vorhang des Zeltes wurde beiseite geschlagen, und ein junger Mann trat heraus. Fast hätte Sarja ihn nicht erkannt, denn er trug nun statt des bunten Trikots eine braune Hose, ein weißes Hemd mit weiten, bauschigen Ärmeln und eine braune Weste, über die ein breiter Ledergürtel geschlungen war.
An den Füßen trug er Stiefel mit weichen Sohlen und langen Schäften aus dünnem, geschmeidigem Leder, die ihm den sanften Schritt einer Katze verliehen, als er nun auf Sarja und Nador zutrat. Als er die beiden sah, verzog sich sein Gesicht zu einem munteren Lachen.
„Ah, euch beide kenne ich doch!“ schmunzelte er. „Ihr standet doch neben dem dicken Vater, der mich gar nicht mehr loslassen wollte und mich vor lauter Zuneigung fast aufgefressen hat. Was kann ich für Euch tun, edle Herren?“ Er machte den beiden eine spöttische Vorbeugung. „Gern zu Diensten, jederzeit! Ist noch irgendwo ein Kind zu retten?“
„Das wohl nicht“, antwortete Sarja ernst, „aber vielleicht könnt Ihr uns helfen, etwas anderes zu retten. Wenn es Euch recht ist, würden wir gern einmal allein mit Euch reden.“
Ástino sah an Sarjas Gesicht, dass hier weitere Scherze nicht angebracht waren, und sagte daher mit einer einladenden Geste: „Folgt mir in mein Zelt. Dort können wir ungestört miteinander sprechen.“
„Aber kann uns auch niemand belauschen?“ fragte Nador misstrauisch. „Zeltwände sind dünn.“
„Von unseren Leuten würde niemand lauschen“, sagte Ástino, während sie das Zelt betraten, „und die Annäherung eines Fremden würde sofort bemerkt werden, wie ihr ja selbst gesehen habt. Darum seid unbesorgt, keiner wird uns hören.“
Er bot ihnen einen Platz auf den weichen Kissen an, die auf dem Boden lagen, und sie ließen sich nieder. Erwartungsvoll schaute Ástino von einem zum anderen.
„Nun, Eure Geschicklichkeit und Euer Mut haben uns sehr beeindruckt“, begann Sarja. Ástino wollte abwehren, doch sie brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen. „Nein, widersprecht nicht! Was Ihr
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