Die Krone der Macht
Flammen werfen. Doch viele Hände griffen nach ihr. „Du kannst da nicht hinein! Es ist zu spät!“ riefen die Leute. „Dein Kind ist verloren.“ Schluchzend brach die Frau zusammen.
Da erschien auf einmal ein Mann in einem bunten Trikot auf dem anderen Ende des Seils, das über die Ecke des Platzes bis zu dem brennenden Haus gespannt war. Behände lief er darüber hin und erreichte das Haus. Atemlos starrte die Menge nach oben. Als er auf der kleinen Plattform angekommen war, brannte die Leiter an ihrem unteren Ende bereits. Der Mann duckte sich zusammen und sprang dann mit einem mächtigen Satz zu dem offenen Fenster zu Sarjas und Nadors Zimmer.
Bei diesem gefährlichen Unternehmen war ein Aufschrei durch die Menge g egangen. Als der Mann sah, dass auch das Zimmer bereits brannte, kletterte er auf den Sims, der rund um das Haus lief. Er erreichte die Dachkante und hangelte sich dann freischwebend an den vorstehenden Enden der Dachbalken zum Giebel hoch. Die Dachkammer hatte ein kleines Fenster ganz oben in der Spitze des Giebels. Der Waghalsige schwang seine Füße gegen das Fenster, das mit lautem Klirren zerbrach. Ein weiterer Schwung, und er war durch das Fenster verschwunden.
Das Ganze hatte sich so schnell abgespielt, dass niemand sich gerührt hatte. Stumm und atemlos starrten die Leute auf das Dachfenster. Auf einmal erschien der Mann wieder am Fenster und hatte ein Bündel auf den Rücken gebunden. Mit der Geschicklichkeit eines Affen hangelte er sich aus dem Fenster und stand auf dem Fensterbrett. Ein Sprung - und die Hände fassten sicher um einen der Balken. Von Balken zu Balken ging es tiefer, bis seine Füße den schmalen Sims berührten. Wie eine Spinne an die Wand gepresst, schob er sich über den Sims bis über die kleine Plattform der Leiter. Da ließ er sich fallen und landete genau auf dem kleinen Quadrat. Im Nu stand er wieder auf dem Seil und lief darauf entlang. Doch da hatte auch das Seil Feuer gefangen. Ein Aufstöhnen ging durch die Menge. Mit rasender Geschwindigkeit eilte der Mann mit dem Bündel auf dem Rücken über das Seil. Eben noch rettete er sich auf die gegenüberliegende Plattform, als das Seil auch schon riss.
Eine Gasse bildete sich in der Menge, durch die der wagemutige Retter in dem bunten Trikot der Gaukler nun schritt. Auf seinen Armen trug er das Kind, das er unter Einsatz seines Lebens aus dem Feuer gerettet hatte. Jubel und Hochr ufe klangen auf, als er das Kind der überglücklichen Mutter in die Arme legte.
Inzwischen hatten sich die Leute aus ihrer Erstarrung gelöst, und es wurden alle Anstrengungen unternommen, das Feuer zu löschen, damit die Flammen nicht auf die anderen Häuser überschlugen. Doch viele Menschen umringten den Retter und beglückwünschen ihn zu seiner tapferen Tat. Der dicke Hauswirt, der Vater des Kindes, dankte ihm immer wieder mit Tränen in den Augen. O bwohl seine ganze Habe verbrannt war, versprach er ihm eine hohe Belohnung. Er wollte sich dafür von seinem Bruder Geld borgen. Doch davon wollte der Mann nichts wissen.
Nador und Sarja standen in der Nähe und betrachteten ihn bewundernd und aufmerksam. Das dünne Trikot zeigte einen schlanken, sehnigen Körperbau. Er war nicht viel mehr als mittelgroß und mochte vielleicht sieben- oder achtun dzwanzig Jahre zählen. Ein blonder Haarschopf fiel ihm bis in den Nacken, und blaue Augen mit einem Strahlenkranz von Lachfältchen ließen auf ein heiteres Gemüt schließen. Lachend wehrte der junge Mann ab, als ihm von allen Seiten Geschenke dargereicht wurden.
„Lasst gut sein, Leute“ sagte er, „und macht nicht mehr aus meiner Tat, als dahinter steckt. Ich habe nur getan, was man mir von klein auf beigebracht hat. Wenn ihr es gekonnt hättet, ihr hättet es genauso getan. Gebt die Geschenke und das Geld lieber diesem armen Burschen hier, der durch den Brand alles verloren hat. Er hat es nötiger als ich.“ Damit wandte er sich ab und verschwand in der Menge.
„Lass‘ uns ihm schnell folgen!“ sagte Sarja. „Ich muss mit ihm reden.“
„Aber unsere Pferde!“ versetzte Nador. „Wir müssen sehen, was aus ihnen geworden ist.“
„Der Stall hat nicht gebrannt“, antwortete Sarja, „und auch hier ist das Feuer jetzt unter Kontrolle. Und von unseren Sachen, die im Zimmer waren, ist sowieso nicht viel übrig geblieben. Komm, wir wollen uns beeilen, denn ich muss unbedingt mit ihm sprechen.“
„Glaubst du, er könnte einer der Gefährten sein,
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