Die Krone der Macht
bestimmt, Ástino und Ardon teilten sich das dritte. Ástino war mit dieser Regelung mehr als zufrieden.
Die nächsten Tage vergingen ohne besondere Vorkommnisse. Sarja hatte zweimal morgens mit Übelkeit zu kämpfen gehabt. Sie nahm an, dass der Grund in ihrem seelischen Zustand, der nur knapp überstandenen Gefahr und in der Schwächung ihres Körpers durch die Verwundungen lag. Da sie ihr Zi mmer allein bewohnte, hatte keiner der Männer es bemerkt. Sie hatte es auch nicht erwähnt, um die Aufmerksamkeit Nadors und Ardons so wenig wie möglich auf sich zu ziehen.
Nador schlief viel und erholte sich zusehends. Auch die Wunden der anderen heilten mit einer Geschwindigkeit, die geradezu unglaublich war. Bei Sarja wäre es wegen des Steins noch verständlich gewesen, aber auch Ástinos Wunde war fast schon vernarbt. Von Ardons Brandverletzungen war kaum noch etwas zu sehen.
Am fünften Tag stand Nador das erste Mal wieder auf. Ardon stützte ihn, als er die ersten unsicheren Schritte machte. Doch er musste sich bald wieder hinlegen, da er noch sehr kraftlos war und außerdem die Wunde wieder zu schmerzen begann. Als die drei sein Zimmer wieder verließen, rief Nador Ástino zurück. Nur ungern sah Ástino Sarja und Ardon allein die Treppe hinunter gehen, aber er konnte Nadors Bitte nicht abschlagen.
„Setz dich zu mir, Ástino“, bat Nador, „ich möchte dich etwas fragen.“
Ástino setzte sich auf dem Bettrand und schaute Nador an. Nador schwieg einen Augenblick, und Ástino merkte, wie schwer es dem verschlossenen Mann fiel, mit dem reden zu beginnen. Doch plötzlich brach es aus Nador heraus:
„Ástino, was ist mit Sarja los? Irgendetwas stimmt nicht mit ihr. Sie kommt mir völlig verändert vor. Sie kommt kaum noch in mein Zimmer und wenn, dann meistens mit dir. Und mein Wunsch, sie möge eine Nacht in meinen Armen schlafen, tat sie mit der Begründung ab, ich brauche Ruhe. Du weißt, was sie hat. Ich sehe es dir an. Aber sag mir die Wahrheit und komm nicht mit Ausflüchten. Du weißt, ich würde es merken.“
Ástino sah in das Gesicht des sonst so ruhigen Mannes und erblickte die geheime Furcht darin, etwas bestätigt zu bekommen, was er schon längst wusste.
„Nador“, sagte er, „da du die Wahrheit wissen willst - eine Wahrheit, die du bereits kennst - werde ich dir nichts verschweigen. Aber ich möchte dich bitten, Sarja nicht zu sagen, was du weißt. Es könnte mehr schaden als nützen!
Und nun höre mir zu: Du weißt, Sarja ist noch sehr jung, und du warst der erste Mann in ihrem Leben. Sie ist ein neugieriges Kind und sich noch nicht klar über ihre Gefühle und was sie damit anrichten kann, obwohl es scheint, als wäre sie weit über ihre Jahre hinaus gereift. Doch kann auch der Stein mangelnde Erfahrung nicht ersetzen. Ich will sie nicht entschuldigen, aber ich möchte für sie um dein Verständnis als erfahrener Mann bitten. Gegen das, was ihr widerfahren ist, sind wir alle nicht gefeit, du genauso wenig wie ich oder wie Ardon. Sie hat sich in ihn verliebt, was meiner Meinung nach bei einem Mann wie ihm nicht unverständlich ist.“
„Also doch!“ murmelte Nador und sank in seine Kissen zurück. Er schloss die Augen, und die Farbe seines Gesichts unterschied sich kaum noch vom Weiß des Lakens. „Du brauchst nicht weiter zu sprechen, Ástino, mir ist alles klar! Es konnte ja gar nicht anderes kommen. Ein Bild von einem Mann wie er - und ein Krüppel wie ich! Sie müsste ja blind sein, wenn sie es nicht sähe.“
„Hör mir jetzt mal zu, Nador“, unterbrach ihn Ástino. „höre du mir jetzt genauso zu, wie ich sie gezwungen habe, mir zuzuhören.“ Er seufzte. „Es wird wohl mein Schicksal sein, zwischen euch beiden stets den Mittler zu spielen. Und ich scheine der Einzige zu sein, der wirklich sicher ist, dass ihr beide euch liebt. Euch beiden scheint diese Tatsache anscheinend überhaupt nicht klar zu sein.“
„Aber du hast doch gerade gesagt, sie liebe Ardon!“ fiel ihm Nador ins Wort.
„Nein“, entgegnete Ástino unwirsch, „ich habe gesagt, sie hat sich in ihn verliebt ! Lieben tut sie nur dich! Aber der Unterschied muss ihr erst klar werden, verstehst du das?“
„Nein“, sagte Nador verwirrt, „das versteh ich nicht.“
„Dann muss ich also auch dir erst den Unterschied klarmachen, weiser Nador? Wie soll dann die kleine Sarja den Unterschied so schnell erkennen, wenn nicht einmal du als erfahrener Mann es weißt?
Weitere Kostenlose Bücher