Die Krone von Camelot
aus.«
»Das ist ja der Sinn der Sache. Das Gift macht dich krank. Wenn du genug davon ausspeist und wenn du genug davon aus deinem Körper herausspülen kannst, dann ist das, was noch übrigbleibt, vielleicht nicht genug, um dich umzubringen. Da.« Ich raffte eine Handvoll Schnee hoch, und er nahm sie, erbrach sich noch einmal und noch einmal und fing an zu zittern. Ich half ihm aufs Pferd, schaffte es irgendwie, ihn in den Sattel zu bringen, und nahm ein paar Lederriemen vom Geschirr und band Rhuawn damit fest. »Wir müssen uns eilen«, sagte ich ihm. »Vielleicht könnten wir einen Platz zum Halten finden.«
»Nein! Eine Rast können wir nicht riskieren. Medraut wird uns finden.«
Dazu hatte ich nichts zu sagen, also schüttelte ich nur den Kopf und spornte mein Pferd zum Galopp. Vielleicht war die ganze Flucht sinnlos. Medraut hatte viele Möglichkeiten, alles zu erfahren - durch Spione und durch seine privaten Zaubereien. Ich konnte nur beten, daß keins seiner Mittel ihm diesmal diente - ich konnte darum beten, daß Rhuawn genug von dem Gift ausgebrochen hatte und daß er sich erholte.
Der Ritt wurde zum Alptraum. Die Pferde waren jetzt zu müde, um zu galoppieren, und wir trabten und ritten Schritt und trabten und ritten Schritt, während der Schnee immer dichter fiel und die Welt immer kleiner wurde, bis sie zuletzt nur noch aus der Straße direkt vor uns bestand und aus unseren Pferden. Nach kurzer Zeit fing Rhuawns Pferd an, auf der Straße hin und her zu wandern und zurückzufallen. Ich ritt zu ihm hinüber und nahm Rhuawn die Zügel aus den Händen. Er phantasierte und antwortete nicht auf meine Fragen. Er murmelte nur unzusammenhängendes Zeug. Ich schaute mich nach Lichtern um, nach einem Rastplatz, aber es gab kein Licht. Es war dafür zu spät, und der Schnee verschluckte alles in seiner weißen Dunkelheit.
Vielleicht drei Stunden, nachdem wir zum erstenmal angehalten hatten, bekam Rhuawn Krämpfe. Ich bog von der Straße ab und zog sein Pferd hinter mir her, das trotz seiner Müdigkeit völlig verschreckt war. Ich begann, ein Feld zu überqueren. Der Wind hörte auf, und ich stellte fest, daß wir ein Stückchen Wald erreicht hatten. Ich ritt am Waldrand entlang, bis ich eine Höhlung im Boden fand, die windgeschützt und ohne Schnee war. Hier zerrte ich Rhuawn vom Pferd, legte den Tieren Beinfesseln an und sammelte etwas Brennholz. Rhuawn hatte in dem Packen hinter seinem Sattel Stahl und Zunder und eine Wolldecke, und durch irgendein Wunder schaffte ich es, ein bißchen von dem Holz anzuzünden, das nicht zu feucht war. Ich zog Rhuawn näher ans Feuer und wickelte ihn in die Decke. Ich versuchte, ihm weiteren Schnee einzugeben, aber seine Zähne waren zusammengebissen, und sein Körper zuckte in Krämpfen, und er konnte ihn nicht nehmen. Sein Gesicht im Feuerlicht war fast nicht mehr zu erkennen. Es war verzerrt und mit Schaum und mit Erbrochenem befleckt. Die Pupillen seiner Augen hatten sich geweitet, so daß es aussah, als ob eine lebendige Dunkelheit in seinem Schädel kochte. Ich berührte wieder seine Stirn, und noch immer war sie brennend und trocken. Während ich neben diesem Feuer an der Straße in Dumnonia stand, fiel mir plötzlich wie aus einer anderen Welt eine Unterhaltung ein, die ich einmal mit Gruffydd, dem Chirurgen, geführt hatte - sie hatte sich ausgerechnet um kosmetische Produkte gehandelt. »Nachtschatten«, hatte er gesagt, »ist ein tödliches Gift. Aber wenn man es in die Augen tut, dann macht es sie strahlend. Es erweitert die Pupillen. Es verursacht auch Fieber, Erbrechen, Delirium und Krämpfe. My Lady
- warum spielen die Frauen nur mit solchen Dingen herum? Kein vernünftiger Mann würde sie anwenden.«
»Männer mögen strahlende Augen«, hatte ich erwidert, »aber beklag dich nicht bei mir - ich benutze keinen Nachtschatten. Kann das Zeug auch töten?«
»In der richtigen Dosis ja«, hatte der Chirurg schnaufend vor Widerwillen gesagt. »Zuviel, und man speit es beim Erbrechen wieder aus. Nachtschatten, das ist kein Gift für Amateure.« Aber Medraut war kein Amateur.
Wir konnten in dieser Nacht nicht weiterreiten. Die Pferde waren sowieso schon fast verausgabt. Aber ich bezweifelte, daß jemand uns in diesem Schnee finden konnte. Ich legte mehr Holz aufs Feuer, sattelte die Pferde ab und versuchte, eine Art Schutzdach für Rhuawn zu errichten.
Rhuawn starb etwa zwei Stunden vor Sonnenaufgang. Die ganze Zeit sagte er nichts, und er erlangte auch nicht das
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