Die Krone von Camelot
dem schwachen Binsenlicht, das mir in der Halle den Weg beleuchtet hatte, eintrat. Als ich das Schlafzimmer betrat, sah ich, daß Artus schon im Bett lag. Aber er zuckte zusammen, als das Licht über ihn fiel, und ich wußte: Er war noch wach, obwohl er mir den Rücken zukehrte und sich nicht bewegte. Ich wußte, er versuchte der schmerzhaften Stille zwischen uns aus dem Weg zu gehen, und er hatte Angst. Ich stellte das Licht in den Halter neben dem Bett und zog mich schweigend aus. Ich fragte mich, was ich wohl sagen sollte, und ich wünschte mir, ich hätte es verschieben können. Fast hätte ich das Licht ohne ein Wort ausgelöscht. Aber ich setzte mich einen Augenblick auf das Bett, schaute Artus an und berührte seine Schulter. »Es tut mir leid«, brachte ich heraus und hörte, wie rauh und unsicher meine Stimme klang. »Es war eine böse Absicht. Es tut mir sehr leid.« Und plötzlich dachte ich nicht an Medraut, sondern an Bedwyr, der dort lag, wo jetzt Artus war. Ich dachte an den Betrug, der größer war, als Artus wußte.
Er drehte sich um und schaute mich seltsam an - nicht kalt, sondern verwirrt. Er ergriff meine Hand, die auf seiner Schulter lag, und schaute sie an. Er musterte den geschnittenen Siegelring und sah dann mein Gesicht wieder an. Im Zimmer war es dunkel, denn das Binsenlicht flackerte und war fast ausgegangen. Artus seufzte.
»Es tut mir leid«, flüsterte ich noch einmal.
»Ich weiß«, erwiderte er. »Aber siehst du denn nicht, daß mehr nötig ist als eine Entschuldigung? Diese Tat. Medraut hat uns verkrüppelt.«
»Ich wollte, daß wir ihm entrinnen.«
Er zog meine Hand an seine Lippen, und sein Blick suchte meine Augen. »O mein Herz, wenn wir das nur könnten. Aber diese Tat, diese - sie entehrt dich. Ich weiß, daß du das akzeptieren wolltest, für das Reich. Aber ich kann es nicht akzeptieren. Und Medraut ist mein Sohn - meine Schuld.«
»Bitte«, sagte ich. Ich konnte nicht vernünftig mit ihm reden. Bei dem, was zwischen uns war, bedeutete Vernunft nichts.
Er berührte mein Gesicht und streichelte mein Haar zurück. »Du frierst«, sagte er nach einem Augenblick. »Komm, geh zu Bett und schlaf.«
Als ich unter der Decke war, legte er seinen Arm um mich, und ich lag sehr still und wagte es nicht, mich zu bewegen. Mein Herz schrie nach ihm, aber es war ein Anfang.
Das Schweigen wich langsam. Aber die Ernte ist eine Zeit, bei der viel zu tun ist, und da Bedwyr fort war, mußten Artus und ich einander öfter besprechen als gewöhnlich. Über den Angelegenheiten des Reiches hatten wir es gelernt, einander zu vertrauen: bei empfangenen und ausgegebenen Tributzahlungen, bei der Ausstattung eines Heeres, bei den Plänen der Könige. Durch die Arbeit jetzt wurde unser Vertrauen erneuert. Schließlich konnten wir sogar privat wieder frei miteinander sprechen und sogar lachen. Die letzte Barriere fiel Anfang Dezember, als Cei von den Orkneys zurückkehrte und die Nachricht von Agravains Tod brachte.
Vielleicht hätten wir es erwarten sollen. Wir hatten schon lange gewußt, daß es Agravain nicht gutging, und im Herzen hatte ich immer Angst davor gehabt, was Medraut auf den Inseln vielleicht tun würde. Nichtsdestoweniger kam die Nachricht wie ein Schock. Cei brachte sie ganz frisch: Er war mit der ersten Flut, noch am Tag, an dem Agravain starb, von den Inseln abgesegelt und mit einer Geschwindigkeit von Ebrauc weitergeritten, daß er eine Spur von zuschanden gerittenen Pferden hinter sich zurückgelassen haben mußte. Der Wind kam vom Norden, was sehr gut für die Reise war, und deshalb hatte er die ganze Strecke in einer Woche und sechs
Tagen zurückgelegt. Er kam an einem kalten Dezembersamstag um Mitternacht an und brach sofort in unser Haus und brüllte, es sei dringend. Draußen schneite es ein bißchen, nasse Flocken, vermischt mit Regen. Cei war am gleichen Morgen von Caer Ceri losgeritten und hatte in Baddon die Pferde gewechselt. Er hatte ein graues Gesicht vor Erschöpfung und zitterte vor Kälte. Sobald Artus Übertunika und Umhang umgeworfen hatte, machte er sofort Feuer im Besprechungszimmer, während ich Cei etwas Wein einschenkte und mehr Wein ans Feuer stellte. Cei allerdings wartete nicht so lange, bis er seinen nassen Mantel ausgezogen oder mehr als einen Schluck aus dem Becher genommen hatte, ehe er heraussprudelte: »Agravain ist tot. Er hat ihn umgebracht. Dieser glattzüngige Bastard hat seinen Bruder ermordet.«
Ich ließ fast den Krug mit Wein fallen.
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