Die Krone von Lytar
ursächlich ist.« Er drehte sich zur Seite und schlug die Decke über sich. »Mir tut der Hintern weh, und das kommt ursächlich vom Reiten«, gähnte er. »Gute Nacht.«
»Sie entschloss sich einfach, eine Priesterin Mistrals zu werden?« Lamar schüttelte ungläubig den Kopf. »Braucht es dazu nicht ein Noviziat?«
»Da fragt Ihr mich zu viel«, antwortete der alte Mann mit einem Lächeln. »Ich kenne mich in solchen Dingen nicht aus. Ich weiß nur, dass niemand an ihrer Bestimmung zweifelte.«
»Nun, ich hoffe, sie blieb dabei«, sagte Lamar und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Götter es gutheißen, wenn die Priester sie wechseln wie ihre Kleidung.«
»Bisweilen drücken sie ein Auge zu«, lachte der alte Mann. »Diesmal war sich Elyra jedenfalls sicher!« Er fischte Tabak aus seinem Beutel und begann seine Pfeife zu stopfen. »Und so, wie es aussah, hatte auch Mistral nichts dagegen einzuwenden!«
Garret saß auf seinem Stein und blickte in die Dunkelheit. Er war noch immer zu unruhig, um schlafen zu können, außerdem genoss er die Nacht und die Gelegenheit, seinen Gedanken nachzuhängen. Immer wieder musste er an Vanessa denken, daran, wie er ihre Hand hielt, als sie im Sterben lag, und daran, wie ein Gefühl des Glücks ihn überströmte, nachdem Ariel sie gerettet hatte.
Bis vor wenigen Tagen war er der Auffassung gewesen, dass das Leben zwar manchmal langweilig sei, es aber auch beruhigend wirkte, zu wissen, was man als Nächstes zu tun hatte. Die Arbeit im Haushalt und in der Werkstatt seines Vaters oder das Fischen, wenn es ihm damit zu viel wurde. Er schmunzelte ein wenig, denn all dies kam ihm mit einem Mal so harmlos vor.
Bei diesem Sommerfest hatte er Vanessa zum ersten Mal als Frau wahrgenommen. Sie war ja auch kaum zu übersehen gewesen in ihrem fröhlich bunten Festtagsgewand. Wäre Belior nicht gewesen, würde er jetzt wahrscheinlich bald bei ihrem Vater in der Türe stehen, den Hut in der Hand, und ihn fragen, ob er Vanessa ausführen dürfe.
Vor einiger Zeit hatten Tarlon und er sich einmal über ihrer beider Familien unterhalten und dabei festgestellt, dass sie zu den wenigen im Dorf gehörten, die noch nicht über verwandtschaftliche Bande miteinander verknüpft waren.
Früher, in den Zeiten Alt Lytars, soll es sogar eine Art Fehde zwischen den beiden Familien gegeben haben, doch weder Tarlon noch Garret kannten den Grund. Fest stand nur, dass sie ein Ende fand, als die Familien nach dem Kataklysmus Lytara gründeten.
So schlecht stand es also nicht um eine mögliche Verbindung. Und Vanessa hatte ihn immerhin schon geküsst. Er schloss die Augen und rief sich das samtweiche Gefühl ihrer Lippen in Erinnerung. Dann hörte er aus der Richtung des Waldes ein Heulen, ähnlich dem eines Wolfes.
»Wo sind die Biester?«, fragte Argor. Er war zu Garret auf den Stein geklettert, nachdem dieser seine Freunde geweckt hatte. Der Zwerg beobachtete den Waldrand, während er seine Armbrust spannte. »Ah, ich sehe sie schon«, sagte er dann, noch bevor Garret ihm antworten konnte. Er hielt inne und zog die buschigen Augenbrauen zusammen. »Was machen die denn da? Normal ist das nicht, oder?«
Nein, dachte Garret, normal war das nicht. Es waren etwa zwanzig Tiere, ein ungewöhnlich großes Rudel, aber das eigentlich Verstörende war, dass sie sich in drei Gruppen aufgeteilt hatten, die nun außerhalb von Pfeilschussweite um das Lager herumschlichen.
»Wölfe greifen keine Menschen an«, stellte Elyra hinter ihnen fest. Sie war bei den Pferden und versuchte sie zu beruhigen, denn die Tiere hatten die Herannahenden bereits gewittert. »Zumindest nicht im Sommer, wenn sie genug zu fressen haben, und nicht, wenn es mehr als ein Mensch ist. Und schon gar nicht in einer solchen Formation. Das sind keine Wölfe.«
Garret sah zu ihr hinüber und dann wieder zu den Tieren. Er kratzte sich am Kopf. »Was sollten sie denn sonst sein? Sie sehen aus wie Wölfe, heulen wie Wölfe und …«, er sog die Luft scharf durch die Nase, »… sie stinken wie Wölfe!«
»Aber ich kann sie nicht richtig fühlen.« Elyra schauderte. »Sie sind nicht krank wie die Hunde, aber eines weiß ich sicher: Sie sind irgendwie bösartig.«
Vanessa rückte ihren Helm zurecht und griff nun ebenfalls nach ihrem Bogen. »Nichtsdestoweniger verhalten sie sich zu clever für Wölfe. Diese hier gehen viel zu systematisch vor. Sie haben uns eingekreist, und jetzt scheinen sie
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