Die Krone von Lytar
wird den Zettel finden, wenn er nach Hause kommt.«
Tarlon seufzte und sah zu Vanessa hinüber. Ihr war es durchaus zuzutrauen, dass sie es nicht viel anders gehandhabt hatte. Doch sie schien seinen Blick nicht zu bemerken.
Mittlerweile hatte sich Dunkelheit über das Tal gelegt, und der Mond stand als schmale Sichel am Horizont. Der Himmel über ihnen war sternenklar, und unwillkürlich suchte und fand Garret Mistrals Stern, der hell am Himmel schien. Garret hatte wieder seinen Beobachtungsposten auf dem Stein bezogen, und obwohl es für ihn an der Zeit war, hatte er noch nicht die Ruhe, sich zu seinem Lager zu begeben.
Den anderen schien es ähnlich zu gehen. Während Vanessa das Essgeschirr mit Sand ausscheuerte und die anderen ihre Bettlager vorbereiteten, saß Elyra vorgebeugt auf einem Stein, sodass der weißblonde Schleier ihres Haars Gesicht und Hände verdeckte und Garret nicht genau erkennen konnte, was sie dort bearbeitete. Tarlon setzte sich neben die zierliche Halbelfin, um ihr zuzuschauen.
»Was machst du da?«, erkundigte er sich leise.
»Ich schnitze ein heiliges Symbol. Alle Priester haben eines, und ich will ja auch Priesterin werden. Ich glaube, es ist mir ganz gut gelungen. Schau mal.«
Sie hielt ihre Arbeit hoch, und Garret konnte im Schein des Feuers Mistrals Stern erkennen, den sie aus einem Stück Holz geschnitzt hatte und der bereits fast fertig war.
»Aus Holz?«, staunte Tarlon.
Elyra nickte. »Aus dem Holz der Esche, einem heiligen Baum. Doch der Diener Erions sagte, es sei gar nicht wichtig, woraus ein Symbol gefertigt ist, wenn nur der Glaube stark genug dahinter steht.«
»Du willst also Mistral dienen?«, schloss Tarlon leise. »Ich dachte, es sei Teil unserer Strafe, dass wir ihre Gnade nicht mehr erfahren.«
»Nun«, antwortete Elyra, »ich fühle es mit jeder Faser meines Herzens, dass ich ihr als Priesterin zu dienen habe. Wie könnte das sein, wenn es nicht ihr Wunsch wäre?«
»Vielleicht hat sie uns verziehen«, meldete sich Astrak von seinem Bettlager und blickte ehrfürchtig zu Elyra hinüber. »Es wäre jedenfalls schön, wieder eine Priesterin der Herrin der Welten in unserem Dorf zu haben.«
»Es ergibt auf jeden Fall Sinn, dass sie dich erwählt hat«, nickte Tarlon. »Du stammst aus Lytara, wie ein jeder von uns, doch trägt dein Blut nicht die Schuld mit sich, wie es das unsere tut.«
»Unsere Vorfahren haben sich von Lytar abgewandt. Sie trugen die Schuld nicht in sich!«, widersprach Astrak.
»Sie verhinderten das Unrecht aber auch nicht«, gab Tarlon zurück. »Die Göttin hatte wahrlich Grund, uns so zu strafen! Und je mehr ich über das alte Reich erfahre, desto mehr verstehe ich, dass sie sich von uns abgewandt hat.«
»Das hat sie nie wirklich getan. Sie wacht noch immer über uns«, widersprach Elyra sanft. »Ihr zu dienen, ist zweifellos meine Bestimmung. Also muss sie uns vergeben haben.« Sie seufzte. »Ich wünschte nur, ich hätte ein Symbol aus dem richtigen Material. Holz ist ihr zwar heilig, aber es ist nicht dauerhaft.«
»Wenn du willst, kann ich dir eines aus Gold fertigen«, erbot sich Argor.
»Das wäre genau das, was ich brauchte. Ist es denn schwierig herzustellen?«
»Ich benötige nur ein paar Münzen und etwas Zeit. Ich denke, es muss einen Grund geben, weshalb die meisten solcher Symbole aus Gold sind.«
»Stimmt«, bestätigte Astrak dem jungen Zwerg. »Es liegt daran, dass das Symbol als Fokus dient, der die inneren und die göttlichen Kräfte in einem Punkt sammelt und so dem Priester die Möglichkeit gibt, das Wesen der Dinge zu manipulieren. Mit Gold geht das einfacher.« Astrak gähnte ausgiebig. »Übrigens ein der Alchemie verwandtes Prinzip.« Er sah zu Elyra hinüber. »Aber für dich ist das Symbol vor allem ein Zeichen deines Glaubens, und daher ist es egal, aus welchem Material es besteht. Wie es jetzt ist, ist es gut, und wenn du ein anderes brauchst, wirst du wissen, wie es beschaffen sein muss.«
Elyra sah ihn verblüfft an. »Woher weißt du das alles?«
Astrak zuckte die Schultern. »Vater ist ein Gelehrter, und ich habe das ein oder andere aufgeschnappt. Die Alchemie ist die Lehre vom Ganzen. Vater sagt immer, dass man die Alchemie niemals verstehen wird, wenn man nicht alle Lehren berücksichtigt. Es ist die Suche nach dem Schaffensplan der Götter, nach dem Wesen des Seins.« Er lehnte sich auf seiner Bettrolle zurück und schloss die Augen. »Bevor man etwas verändern kann, muss man wissen, was es
Weitere Kostenlose Bücher