Die Krone von Lytar
um aus ihrem Tal herauszukommen und in ferne Länder reisen zu können.
»Worauf wartet ihr denn noch?« Garret tauchte auf einmal wieder auf und winkte seine Freunde ungeduldig zu sich heran auf. »Die Bardin ist dort drüben und wartet auf euch. Sie will uns alle sehen.«
Sie gingen zu dem Zelt hinüber, das ihnen Garret gewiesen hatte, konnten die Bardin aber nirgendwo entdecken. Das Lachen der Kinder war jedoch ein guter Wegweiser, der sie wieder auf den Marktplatz zurückführte. Dort lehnte eine farbenprächtig gekleidete Frau mit einer Laute in der Hand am Brunnenrand und scharte sowohl die Kinder als auch die Erwachsenen des Dorfes um sich herum.
»Da ist sie ja!«, rief Elyra aus und eilte ihr entgegen.
Die Sera Bardin war eine Legende in Lytara. Solange man sich erinnern konnte, war sie zu jedem Mittsommerfest ins Dorf gekommen. Ihre Geschichten handelten von fremden Ländern, legendären Ungeheuern und mächtigen Helden und hatten Generationen von Zuhörern in ihren Bann geschlagen. Selbst die Ältesten im Dorf wussten nur noch zu gut, wie sie einst als Kinder zu ihren Füßen gesessen und ihren Worten gelauscht hatten. Die Bardin kannte alle im Dorf beim Namen und konnte Geschichten über die Älteren erzählen, die diese rot werden und verlegen lachen ließen.
»Für sie«, hatte Tarlons Vater einmal gesagt, »sind wir noch immer Kinder, die ihren Geschichten zuhören. Und genauso verhält es sich ja auch.«
Die Sera Bardin war schlank, etwas zu schlank vielleicht, und nicht besonders groß, sodass die älteren Kinder sie oftmals überragten. Ihr Kleid war das eines Barden und leuchtete in allen erdenklichen bekannten und unbekannten Farben. Sie hatte Haare so schwarz wie das Gefieder eines Raben, einen blutroten Mund über einem fein geschnittenen, aber energischen Kinn und Augen, die so grün und so tief waren wie die See.
Zum ersten Mal bemerkte Tarlon, dass die Sera Bardin nicht wirklich schön war, jedenfalls nicht so schön, wie seine Schwester Vanessa beispielsweise einmal werden würde oder Elyra es bereits war. Aber sie besaß eine besondere Ausstrahlung, die einen sofort in ihren Bann zog. Eine geheimnisvolle Aura umgab sie, und wo immer sie auch hinging, nahm sie ihre Laute mit, ein magisches Instrument, von dem sie sagte, dass es so alt wie die Menschheit wäre.
Dieses Mal musterte Tarlon sie genauer als sonst. Jeder wusste, dass die Bardin alt und unsterblich war. Dem Augenschein nach mochte sie zwar noch immer jung aussehen, doch ihre Augen, die über die Jahrhunderte viel gesehen hatten, verrieten ihr wahres Alter.
Die Sera Bardin spürte seinen Blick, und ihre meergrünen Augen fanden Tarlons. Sie lächelte ihm freundlich zu, zog aber fragend eine Augenbraue nach oben. Tarlon bemerkte nun, wie schwer es war, ihrem Blick standzuhalten. Eine kleine senkrechte Falte bildete sich auf ihrer sonst so glatten Stirn, doch da wandte Tarlon seinen Blick auch schon wieder ab. Der Blickkontakt war eher zufällig zu Stande gekommen, denn Tarlon hatte die Bardin nur deshalb so eingehend betrachtet, weil seine Gedanken bei Elyra gewesen waren und er sich gefragt hatte, ob seine Freundin ebenfalls immer so jung aussehen würde. Aber vielleicht war das nicht der einzige Grund, und er hatte die Bardin auch deswegen so genau beobachtet, weil er zuvor zu lange in die Kugel der Akademie geblickt hatte. Seitdem schien es ihm, als ob sich seine Wahrnehmung verändert hätte und er Dinge sehen und spüren könnte, die ihm vorher nicht aufgefallen waren. So hatte er heute auch zum ersten Mal den unbändigen Willen und die Macht gespürt, die von der Bardin ausgingen. Er war sich nunmehr ganz sicher, dass auch die Elfin genau wie Ariel dazu imstande war, Magie zu wirken.
Mitten in seinen Überlegungen fühlte er, wie Elyra seine Hand drückte, und sah überrascht zu ihr herab.
»Sie ist weit mehr als nur eine Bardin, nicht wahr?«, fragte ihn Elyra leise, und Tarlon nickte leicht mit dem Kopf.
»Überlege dir nur, wie es sein muss, über unzählige Generationen hinweg zu leben und zu lernen«, antwortete er dann. »Aber du wirst das alles noch am eigenen Leib erfahren.«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Ich bin nur zur Hälfte Elfin. Mein Leben wird vielleicht länger als das anderer währen, aber im Vergleich zu ihrem wird es nicht länger dauern als das einer Motte.«
»Sagt, hat jemand von euch Markus gesehen?«, wollte Garret wissen, der sich wieder zu ihnen gesellt hatte.
Er teilte sich ein
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