Die Krone von Lytar
Anblick, denn die Vorbereitungen zum Mittsommerfest waren in vollem Gange. Überall hingen bunte Girlanden, und schon jetzt trugen die meisten Frauen ihre Festkleider. Auch die Männer hatten, sofern sie nicht noch mit den letzten Arbeiten beschäftigt waren, ihr bestes Tuch angelegt.
Opiala, die Tochter des Tuchmachers, tanzte auf dem Platz vor dem Brunnen zu den Klängen von Markus’ Laute. Der Sohn des Kochs im Gasthaus spielte eine Weise nach der anderen, während die jungen Burschen im Takt klatschten und ein Barbier zwischen den Leuten auf dem Platz umherging und ihnen die Bärte und Haare stutzte. Die Stimmung im Dorf war gut, teilweise sogar ausgelassen.
Dort, wo noch vor wenigen Tagen der Galgen gestanden hatte, waren die Männer des Dorfes nun dabei, eine Plattform zu errichten, auf der schon bald ein Priester stehen und die Ehegelübde der jungen Männer und Frauen des Dorfes entgegennehmen würde. Zum Teil war die Plattform auch schon blau angestrichen worden, in der Farbe der Hoffnung.
Von den Ecken der Plattform gingen jeweils vier schräge Balken nach oben, die sich in der Mitte der Plattform trafen und so eine steile Pyramide bildeten, an deren Spitze ein großer hölzerner Stern befestigt war. Es war der Stern Mistrals, der Herrin der Welten. Vanessa, Tarlons Schwester, war gerade dabei, ihn mit blauer Farbe zu bemalen.
Von ihrem erhöhten Platz aus sah sie die Freunde zurückkommen und begann laut zu rufen und zu winken.
»Hallo, Leute, sie sind wieder da!«, rief sie, griff nach einem dicken Stück Tau, das an einem der Balken befestigt war, und ließ sich daran herunter. Kaum war sie unten angelangt, als sie sich auch schon stürmisch in Tarlons Arme warf, der sie mit einem verdutzten Gesichtsausdruck an sich drückte. Denn seitdem seine Schwester begonnen hatte, sich die Haare hochzubinden, hatte sie solche Vertraulichkeiten zunehmend vermieden.
»Götter, bin ich froh, dass euch nichts geschehen ist!«, lachte sie und blickte die Gefährten freudestrahlend an. »Ich hoffe, ihr wart keinen ernsthaften Gefahren ausgesetzt! Auch wenn es nicht so aussieht, als sei euer Ausflug ohne Blessuren abgegangen! Garret, dein Hemd ist ja vollkommen zerrissen und dein Stiefel kaputt. Und was ist denn nur mit deinem Kleid geschehen, Elyra?«
»Tja«, sagte Garret betont nonchalant. »Da waren diese entarteten Hunde und Ratten. Wir waren in mehreren Geheimgängen und …«
»… wir haben einen Elf getroffen«, ergänzte Elyra. »Er trug eine lederne Maske und …«
»Na, jetzt übertreibt ihr aber wohl ein wenig«, unterbrach sie Vanessa. »Wisst ihr was? Die Bardin ist da! Kommt mit, wir gehen zu ihr. Sie erzählt nämlich gerade eine neue Heldengeschichte!« Sie griff nach Garrets Hand und zerrte ihn einfach mit sich. »Die Geschichte wird dir gefallen, Argor!«, rief sie über ihre Schulter zurück. »Es kommen auch Zwerge darin vor. Heldenhafte Zwerge!«
»Ja, gewiss. Nur werden die bestimmt nicht so dumm sein und in Brunnen springen oder sich in irgendeiner Art und Weise mit Magie einlassen!«, grummelte Argor, dann eilte er ihr und seinen Freunden nach.
Zum Sommerfest kamen stets viele Händler aus fernen Städten und Ländern nach Lytara. Im Dorf lebten viele Handwerker, die für ihre Kunstfertigkeit berühmt waren und ihre Waren jedoch nur anlässlich des Sommermarktes an die Außenwelt verkaufen konnten.
Der Pass, der durch die Berge zum Dorf führte, war immer erst sehr spät im Jahr passierbar, und so hatte es sich seit Jahrhunderten eingebürgert, dass jeweils zum Sommerfest der große Markt eröffnet wurde. Er war gleichzeitig der einzige öffentliche Markt, der in Lytara überhaupt abgehalten wurde.
»Auf diese Weise«, hatte Tarlons Vater ihm einmal erklärt, »haben wir für den Rest des Jahres unsere Ruhe und erzielen außerdem bessere Preise.«
Noch war zwar etwas Zeit bis zum Sommerfest, aber bereits jetzt waren etliche Händler eingetroffen, die ihre schweren Handelswagen in farbenprächtige Marktbuden verwandelt hatten. An einer Seite des Marktplatzes war ein Bereich mit einem bunten Band für die Schausteller abgetrennt worden, deren glutäugige Tänzerinnen gern gesehen wurden, zumal die dunkelhäutigen Musikanten mit ihren eifersüchtigen Blicken und den scharfen Dolchen kein wirklich ernst zu nehmendes Hindernis für die wagemutigen männlichen Dorfbewohner darstellten. Außerdem boten die fahrenden Schausteller für die jungen Leute oftmals die einzige Möglichkeit,
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