Die Küsten der Vergangenheit
Fargo und Dickinson. Sie kamen in Charterflügen auf dem Fort Moxie International Airport an und stellten fest, daß der örtliche Autoverleiher nur einen einzigen PKW besaß und daß es nur ein einziges Taxi gab. Eine Karambolage zwischen fünf Wagen in der Nähe der Abfahrt Drayton blockierte den nach Norden fließenden Verkehr auf der 1-29 für beinahe zwei Stunden. Auf dem Highway 18, in der Nähe von Park River, fanden sich frustrierte Autofahrer in kilometerlangen Schlangen und zähem Stop-and-go-Verkehr wieder. Bei Sonnenuntergang des ersten Tages nach Einsetzen der vollständigen und lückenlosen Berichterstattung in den Medien hatte es zwei Tote gegeben, mehr als zwanzig Verletzte und beinahe hundert Leute mit Erfrierungen. Die Sachschäden wurden auf eine Viertel Million Dollar geschätzt. Es war das größte Verkehrschaos in der Geschichte North Dakotas.
Den ganzen Nachmittag über appellierte die Polizei im Radio an die Besucher. Gegen zwei Uhr ging der Gouverneur persönlich auf Sendung und bat die Bevölkerung um Ruhe und Besonnenheit. (Ein merkwürdiger Einfall, weil das Problem in keiner Weise mit hochgehenden Emotionen zu tun hatte.) »Das Verkehrsaufkommen in Walhalla und Umgebung«, sagte er, »ist extrem stark. Falls Sie sehen wollen, was bei Johnson’s Ridge geschieht, so tun Sie das am besten und am sichersten von Ihren Wohnzimmern aus.«
Immer wieder wird behauptet, daß die meisten Menschen kein Interesse an der Geschichte besitzen. Diese Behauptung stützt sich in der Regel auf nichts weiter als mangelndes Wissen der genauen Daten historischer Ereignisse und Episoden. Hätte einer von uns die Chance, Gettysburg an seinem größten Tag zu erleben oder mit Cäsar einen Hamburger zu teilen, würde er nicht die Gelegenheit unverzüglich beim Schopf packen? Wir alle wünschen uns, die Geschichte hautnah mitzuerleben, Teil ihres unwiderstehlichen Dahinströmens zu sein. Hier draußen bei Johnson’s Ridge gab es so eine Gelegenheit. Ein Ereignis von allergrößter Bedeutung, und niemand, der in Reichweite von Johnson’s Ridge lebte, würde zu Hause bleiben und vor dem Fernseher sitzen.
Der Polizeichef war ein dickleibiger Mann mit Grabesstimme, dessen einfache Gesichtszüge und ausdruckslose Augen über seine rasche Intelligenz hinwegtäuschten. Sein Name lautete Emil Doutable, doch seine Männer nannten ihn insgeheim Doubtful.
Er traf im Verlauf des späten Vormittags an der Ausgrabung ein. Zu diesem Zeitpunkt hatten Max und seine Assistenten bereits Stunden mit Metallurgen, Archäologen, Industriellen, Politikern, Kuriositätenjägern und Neugierigen aus der ganzen Welt am Telefon verbracht.
Doutable war alles andere als glücklich. Seine Arbeit wurde durch die bloße Existenz dieser Widerwärtigkeit unnötig erschwert. Ihm war bewußt, daß sich Dinge von weitreichender Bedeutung in seinem Zuständigkeitsbereich ereigneten, doch ihm wäre lieber gewesen, sie hätten sich woanders ereignet. »Kann sein, daß wir die Nationalgarde rufen müssen«, verriet er Max. »Ich habe gehört, daß ganz Nordamerika nach hier unterwegs ist.«
»Erzählen Sie mir lieber etwas, das ich noch nicht weiß«, entgegnete Max. »Möglicherweise müssen wir die Zufahrtsstraße absperren und die Leute ganz vom Sattel fernhalten.«
Doutable blickte sich um, als könnte ihn jemand belauschen. »Sie machen wohl Witze, was? Das Geschäft floriert in den umliegenden Städten. Falls ich die Zufahrtsstraßen abriegle, bin ich meinen Posten los.« Er sah aus dem Fenster. Auf dem Parkplatz drängten sich Hunderte von Pkws. »Hören Sie, besser könnte es für die Städte gar nicht laufen. Es ist noch immer ziemlich kalt. Niemand hält es sonderlich lang hier oben aus. Die Leute kommen her, werfen einen Blick auf das Rundhaus und fahren wieder runter. Dann strömen sie in Massen in die Städte, um etwas Warmes in den Bauch zu bekommen und Souvenirs zu kaufen. Alles bleibt in Bewegung. Jedenfalls war es bis jetzt so. Inzwischen ist der Verkehr einfach zu stark geworden.«
Max nickte zustimmend. Er war froh, sich nicht mit diesem Problem herumschlagen zu müssen.
Doutable schwieg eine Weile. »Max«, sagte er schließlich, »Sie haben wohl nicht zufällig vor, die Leute in dieses Haus zu lassen, oder?«
»In das Rundhaus? Nein. Das bleibt der Presse und Wissenschaftlern vorbehalten.«
»Gut. Weil das die Dinge nämlich noch mehr verlangsamen würde. Wir müssen dafür sorgen, daß die Besucher in der Kälte bleiben.
Weitere Kostenlose Bücher