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Die Kugel und das Opium

Die Kugel und das Opium

Titel: Die Kugel und das Opium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liao Yiwu
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voller Öl, ich brummelte, waswaswas soll das?
    Komm brav mit uns, sagten die Polizisten mit einem widerwärtigen Grinsen, wir haben etwas mit dir zu bereden.
    Mit ein paar Gewehren, die auf mich zeigten, ging es schnurstracks in den Polizeiwagen an der Straße. Damals war ich noch grün hinter den Ohren, als die Wagentür aufging, habe ich mich einfach reingesetzt, aber die haben mich zu meiner Überraschung wieder rausgezogen und mich hinten in den Wagen reingedrängt; als ich mich also gerade da reinzwänge, bekomme ich ein paar Tritte in den Allerwertesten, Himmel, hat das weh getan! Ich hatte mich davon noch nicht erholt, als ich auch schon mit dem Gesicht nach unten im Mittelgang des Wagens auf dem Bauch lag. Die Polizisten sind im Gänsemarsch in den Wagen gestiegen und haben sich rechts und links in zwei Reihen hingesetzt, einer nach dem anderen sind über zehn Füße über mich rübergetrampelt. Hehe, was für ein Scheißglück, dass ich nicht in den Tagen verhaftet worden bin, wo die alle noch so richtig Gefahr witterten, und dass ich nicht in die Hände der Ausnahmetruppen gefallen bin, sonst hätten sie mich an Ort und Stelle tot- oder zum Krüppel geschlagen.
    Dann ging es um sieben Ecken, es war stockfinster, direkt zum Untersuchungsgefängnis der Amtsstelle Daxing. Da drin waren ein paar hundert Leute eingesperrt, in den Zellen wurde Gericht gehalten, es wurde einem direkt gegen den Kopf geschlagen, und dann wartete man auf das Verhör. Wenig später habe ich dann erfahren, dass hier sechzehn Rowdys wie ich eingesperrt waren, alle mit der gleichen Anklage, wir wurden alle zu »Komplizen« gebündelt, dabei kannten wir einander gar nicht. Zwei waren dabei, deren Gesicht kannte ich, ich erinnerte mich, dass sie aus der Nachbarschaft waren, aber eine Weile bekam ich ihre Namen nicht heraus; und ein paar waren aus einer anderen Provinz, die waren zufällig gerade vorbeigekommen und hatten sich von dem allgemeinen Patriotismus anstecken lassen, und schon waren sie »Kriminelle«.
    LIAO YIWU:
    Das geht auf Mao Zedong zurück, er hat gesagt, wir kommen aus allen Ecken des Landes und wir sind zusammengekommen wegen eines gemeinsamen revolutionären Zieles.
    WANG LIANHUI:
    Richtig, richtig, alle wegen eines gepanzerten Fahrzeugs. Verdammt, die Karre hat gerade zur rechten Zeit dort schlappgemacht, um so viele Menschen in den Knast zu bringen. In dem halben Tag sind dort so viele rauf- und runtergeklettert und haben an dem Ding ihre Wut ausgelassen. Unzählige haben das Ding angespuckt, habe ich gehört, und mit den Fäusten fuchtelnd verflucht, die hat man nicht gekriegt; man hat nur die, die Steine geworfen, Stöcke geschwungen und das Ding »praktisch beschädigt haben«, »selektiv verfolgt«. Unter den Rowdys vom 4 . Juni gab es sehr viele von diesen »indirekten Mittätern«, sie kannten einander nicht, die Sache war nicht geplant, es waren Hitzköpfe, die sich zu der gleichen Sache hatten hinreißen lassen. In der Formulierung der Richter hieß das »ungewöhnliche Zeiten, ungewöhnliche Fälle, ungewöhnliche Handhabung«.
    WU WENJIAN:
    Es gibt auch welche, die haben überhaupt nichts gemacht und sind zu schweren Strafen verurteilt worden, weil sie zum Beispiel »mit Gürteln auf ein gepanzertes Fahrzeug einschlugen, was einen sehr schlechten Einfluss hatte, und dann erhobenen Hauptes weggegangen sind« oder zum Beispiel ein gebratenes Hähnchen aus einem Militärfahrzeug gegessen haben.
    WANG LIANHUI:
    Richtig, richtig. Der älteste meiner Komplizen war Li Zexi, er war Anfang sechzig, er hatte auch einfach blindlings Krach geschlagen. Er hatte gar nicht die Kraft, etwas anderes zu tun und hat die Menge zum Lachen gebracht: Ach herrje, wäre besser, die Karre wäre aus Gummi, dann bräuchte man nicht draufzuhauen, dann würden wir sie anzünden, und fertig. War das nicht einfach nur Unsinn? Aber wer hat denn ahnen können, dass er wegen »konterrevolutionären Unsinns« fünfzehn Jahre bekommen würde?
    WU WENJIAN:
    Wenn du das nicht gesagt hättest, hätte ich es vergessen. Als ich im Nr. 1 war, war dieser Li Zexi bei mir auf dem gleichen Flur, er saß da wie ein geprügelter Hund und sah aus wie mindestens siebzig, sein Leben war zu Ende.
    LIAO YIWU:
    O weh!
    WANG LIANHUI:
    Deshalb hatte ich, als ich in die Zelle kam, gleich das Gefühl, dass mit der Stimmung was nicht stimmt, und habe alles abgestritten. Als die Polizisten am nächsten Nachmittag sahen, dass ich stur blieb, haben sie mich bis nach

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