Die Kugel und das Opium
lief in völliger Panik weiter, es knallte ein paarmal, eine Salve traf ihn in den Rücken, er drehte sich noch einmal halb um, bevor er zusammenbrach. Die Umstehenden sprangen schreiend hinzu, viele Hände und Beine packten ihn auf die Ladefläche einer Fahrradrikscha, und man brachte ihn zum Gong’an-Krankenhaus. Um 2.55 Uhr hörte er auf zu atmen, die Rettungsmaßnahmen hatten nichts mehr ausrichten können. Als man die Leiche wusch, wurde sein Studentenausweis und sein Zugticket entdeckt, woraufhin der Schule die traurige Nachricht übermittelt wurde. Anschließend wurde er in seine Heimat überführt. Am 10 . Juni haben seine Eltern seine Asche in Chengdu zur letzten Ruhe gebettet.
7
Xie Jingsuo,
männlich, 21 Jahre, Student im zweiten Jahr am Institut für Leichtindustrie der Lianhe-Universität Beijing
Am Morgen des 4 . Juni 1989 hat er in der Gegend des Liubukou am Xidan mit der Kamera auf der Schulter historische Aufnahmen gemacht, hatte aber das Pech, auf die Ausnahmetruppen zu treffen, die sich wie eine wildgewordene Horde auf ihn stürzten und mit Knüppeln wahllos auf ihn einschlugen; im Nu war er von Wunden übersät, selbst die Hoden haben sie ihm zerschlagen. Anschließend haben sie ihm eine Maschinenpistole an die linke Brust gehalten, er lag auf dem Boden, schrie und flehte um Gnade. Aber es war schon zu spät. Zwei Schüsse fielen, und erst als die Ausnahmetruppen die Stelle verlassen hatten, konnte er von den Leuten in das Notaufnahmezentrum von Beijing-Stadt gebracht werden, doch nach der schriftlichen Diagnose des Arztes war er da bereits tot.
8
Xiao Bo,
männlich, 27 Jahre, Dozent am Chemischen Institut der Universität Beijing. Er war frühreif und hatte mit noch nicht 16 Jahren die Aufnahmeprüfung am Institut für Technische Physik der Universität bestanden.
In der Nacht des 3 . Juni 1989 überwand er ohne Rücksicht auf die eigene Sicherheit einen Straßenzug nach dem anderen, die alle unter heftigem Feuer lagen, um in das Gebiet von Muxidi vorzudringen und seine Studenten in die Universität zurückzubringen, aber auf dem Weg wurde er von einer verirrten Kugel in die Brust getroffen. Er wurde auf der Stelle von irgendwem in die Notaufnahme des Fuxing-Krankenhauses gebracht, aber es war zu spät, er starb an den Folgen seiner Verletzung.
Nach seiner Einäscherung wurde die Urne von seinen Familienangehörigen in seine Heimat in den Kreis Longshan im Westen der Provinz Henan gebracht und dort aufgestellt.
Der Tag seiner Ermordung war sein Geburtstag.
Er hinterließ erst siebzig Tage alte Zwillinge, von denen einer an einer angeborenen Zerebralparese litt. Die Kinder haben ihren Vater nie kennengelernt.
9
Jin Ying,
männlich, 18 Jahre, aus Beijing, Beschäftigung unbekannt
Am Abend des 5 . Juni 1989 ging er mit Kollegen aus und ist nicht mehr nach Hause gekommen. Seine Angehörigen haben sämtliche größeren Krankenhäuser Beijings abgesucht, er blieb unauffindbar. Bis sieben Tage später jemand ihn im Erlonglu-Krankenhaus im Bezirk Weststadt entdeckte. Nach Angaben der Krankenhausleitung hat der Wärter der Totenhalle den Angehörigen mitgeteilt, er sei klein und schmächtig gewesen, wie ein kleines Kind, und erst am 6 . Juni von einem Mann und einer Frau auf einer Fahrradrikscha hergebracht worden. Auf seinem Körper hätten viele kleine Kamelien gelegen. Der Junge sei von drei Kugeln getroffen worden, seine Leiche habe man in ein Blumenbeet dort bei Muxidi geworfen, es sei sehr viel Blut geflossen, vermutlich habe er noch gekämpft.
Nach der Einäscherung wurde er für drei Jahre in der Urnenhalle des Babaoshan-Friedhofs aufgestellt, wenig später wurde seine Asche im Teich des Beihai-Parks zerstreut, wo sie ihre letzte Ruhe gefunden hat. Die Angehörigen sagen, dass sie immer an ihren Jungen denken müssen, wenn sie durch den Park gehen.
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Lu Chunlin,
männlich, 27 Jahre, Student, Jahrgang ’ 86 am Philosophischen Institut der Volksuniversität Beijing
In der Nacht des 3 . Juni 1989 kam er unter dem wahllosen Feuer der Ausnahmetruppen am Muxidi im Stadtzentrum von Beijing zu Tode. Als er dem Tode nahe war, stemmte er seinen blutverschmierten Körper hoch und trug den Leuten auf der Straße auf, was er bei sich trage als Beweis an die Universität zu schicken. Später hat die Universität ihn identifizieren, abholen und einäschern lassen. Die Asche wurde von seinen Angehörigen in seiner Heimat in Jiangsu beigesetzt.
11
Zhang Xianghong,
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