Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kugel und das Opium

Die Kugel und das Opium

Titel: Die Kugel und das Opium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liao Yiwu
Vom Netzwerk:
und habe mich auf den Laster gestürzt, der mir am nächsten war. Wie es der Zufall wollte, lag auf einem Benzintank ein Tuch, das habe ich mir geschnappt und die Streichhölzer, die ich bei mir hatte, rausgeholt. Ich habe das Tuch angesteckt, mit fliegenden Händen den Tankdeckel abgeschraubt und den lodernden Lappen hineingestopft. Wow, ein paar Sekunden lang kroch eine Feuerschlange nach oben, es dauert keine Minute, und der Laster ging in die Luft.
    LIAO YIWU:
    Du hast ziemlich geschickte Hände.
    ZHANG MAOSHENG:
    Noch grün hinter den Ohren, aber Hände und Füße geschickt. Anschließend habe ich mich umgedreht und bin nach Hause.
    LIAO YIWU:
    Du hast dich nicht versteckt?
    ZHANG MAOSHENG:
    Was denn verstecken? Ich war so jung, ich hatte nicht das Gefühl, etwas Falsches gemacht zu haben, und hatte noch weniger das Gefühl, dass das jetzt so schlimm gewesen ist. Der 4 . Juni war noch keine paar Tage her, da sind wir wieder zur Arbeit. Doch als ich auf Montage in Tianjin war, haben sie mich geschnappt.
    LIAO YIWU:
    Wie viele waren es?
    ZHANG MAOSHENG:
    Sieben, glaube ich. Der Polier von der Baustelle in Tianjin sagte, hilf mir, ein paar Sachen von dort drüben wegzuschaffen. Als ich drüben angekommen bin, standen auf einmal ein paar Polizisten um mich herum, rauchten und warteten augenscheinlich schon eine Weile. Die Vorrede lautete: Weißt du, warum wir dich festnehmen? Ich sagte, das weiß ich. Da meinten sie, umso besser, häng es nicht an die große Glocke und komm mit! Und so haben sie mich noch am selben Tag nach Beijing zurückgebracht, mich auf das Revier gar nicht weit von meinem Zuhause verfrachtet und mich verhört.
    LIAO YIWU:
    Auf welches Revier?
    ZHANG MAOSHENG:
    Weiß ich nicht mehr, auf jeden Fall nicht weit weg von uns. Erinnerst du dich, Wu Wenjian? Oder du, Dong, Alter? Ihr wisst es auch nicht mehr? Na, hört mal. Ich war siebzehn Jahre eingesperrt, ich habe Wasser im Kopf, mein Gedächtnis ist ein Sieb. Ich reagiere und bewege mich auch langsamer als früher, ungefähr wie einer, der irgendwas um die sechzig ist. Was vor drei Tagen passiert ist, das kommt mir manchmal vor wie dreißig Jahre her. Ach, bis zum Altersschwachsinn müsste es eigentlich noch ein bisschen hin sein.
    An welchem Tag konkret sie mich festgenommen haben? Weiß ich auch nur noch verschwommen. Irgendwas in den 20 ern des Juni. Die Polizisten haben mich gefragt: Was hast du gemacht? Steine geworfen? Oder einen Soldaten geschlagen? Ich sagte, ich habe einen Militärlaster angesteckt. Da waren sie baff und wollten wissen, wie ich das konkret gemacht habe. Dann habe ich es ihnen erzählt, von Anfang bis Ende, wie das alles gekommen ist und warum und so weiter. Als ich fertig war, haben sie gefragt: Du bist nicht verletzt worden? Ich sagte, warum sollte ich verletzt worden sein? Da haben sie mich auf einmal angestiert: Du Scheiß Rowdy! Verschissener Penner! Dir werden wir die Flötentöne beibringen! Dann haben sie mich in ein kleines Zimmer geschleift, die beiden Polizisten haben die Ellbogen ausgefahren und haben mich mit solch einer Feder, die man an der Wand festmacht, damit die Türen zurückfedern, eine Weile geschlagen. Das tat so weh, ich habe mich auf dem Boden gewälzt und geschrien, es war nicht zum Aushalten. Die Polizisten sagten: Du Stinksack kannst noch von Glück sagen, dass du nicht in die Hände der Ausnahmetruppen gefallen bist, die hätten dir die Pratzen längst abgehackt und an die Hunde verfüttert.
    Als sie mit der Quälerei aufhörten, sagten sie: Komm hoch, wir bringen dich nach Hause! Ich war ein bisschen benommen und fragte, wirklich? Sie lachten und meinten, bei deinem IQ machst du solche Dummheiten. Am Ende hat es nicht lange gedauert, und sie haben mich in die Arrestzelle gebracht.
    Dort bin ich fast zwei Wochen geblieben, dann haben sie mich in eine Zweigstelle im Osten von Beijing verlegt, das auch zum Untersuchungsgefängnis Nr. 7 gehörte. Als ich dorthin kam, wussten alle vom »Schildkröten-Gebäude«. Es hieß, dort ist seit den 50 er Jahren nichts mehr verändert worden, von weitem betrachtet würde es aussehen wie eine gewaltige Schildkröte. Ich bin da unten hinein und entsprechend meinem Fall aufgestiegen. Im Verhörzimmer zeigte mir der Polizist mit dem Finger auf die Nase und beschimpfte mich als aufsässig. Ich sagte, das würde ich nie wagen. Ihr seid die Diktatur des Proletariats, selbst wenn ich hundertmal so viel Schneid hätte, würde ich das nicht wagen. Ich habe doch alles

Weitere Kostenlose Bücher