Die Kugel und das Opium
worden. In eine mit einem Dutzend Leuten schon gut gefüllte Zelle haben sie einundfünfzig Mann hineingestopft. Außer sieben, acht Kriminellen waren es alles Rowdys vom 4 . Juni, insgesamt siebenundvierzig Mann trugen Fußfesseln. Wir waren zusammengepfercht wie die Sardinen, keiner konnte sich hinlegen und schlafen. Dazu noch die Prügel, die Verhöre. Ich war fast ein Jahr im Nr. 7 , dass ich nicht vor die Hunde gegangen bin, ist ein Wunder. Wenig später bin ich in das Paoju- und das Qincheng-Gefängnis verlegt worden, es gab jeden Tag gekochte Auberginen.
LIAO YIWU:
Ich habe im Gefängnis ein paar Jahre lange gekochten Kürbis gegessen, ich bin heute noch allergisch gegen Kürbis.
LIU YI:
Ich, ein Kerl wie ein Ochse, war erst ein halbes Jahr drin und hatte schon über zwanzig Pfund verloren, ich war nur noch Haut und Knochen. Schlimmer noch war, dass man sich in diesem Lagerhaus für Menschenfleisch nicht waschen konnte. Alles hatte die Krätze, mitten in der Nacht kratzten sich Dutzende von Händen, das klang wie ein brummendes Hobeln, wie ein Donnergrollen. Haben Sie schon mal hühnereigroße Krätzepusteln gesehen? Und wenn man die Eiterbeutel aufreißt und mit dem Finger reingeht und drin rumschubbert, das tut höllisch weh, und das Jucken hört auch nicht auf. Ich erinnere mich, in meiner Zeit im Paoju brauchte man eine Genehmigung vom Zellenchef, wenn man auf den Abtritt wollte, dann standen da zwei Leute nebeneinander und hockten sich Hintern an Hintern. Manchmal waren sie gerade am Schiffen, als plötzlich jemand rief: »Achtung!«, und wenn man zu langsam in die Gänge kam, wurde man mit einem großen Wasserschlauch nass gespritzt. Im Sommer war es etwas besser, die Winter waren grausam.
LIAO YIWU:
Wann haben Sie Ihre »Anklageschrift« bekommen?
LIU YI:
Ein gutes halbes Jahr nach meiner Inhaftierung. Es war zwecklos, sich nicht schuldig zu bekennen, sie haben dich halbtotgeschlagen und dich auch noch bestraft.
LIAO YIWU:
Für welches Vergehen?
LIU YI:
Konterrevolutionärer bewaffneter Raub und Aufwiegelung der Massen zum Umsturz. Das umfasste erstens: Gründung einer illegalen Organisation; zweitens: Brandstiftung (auch wenn ich selbst und mit eigenen Händen nichts angezündet habe); drittens: Blockade von Militärfahrzeugen. Für all diese Vergehen haben sie mir acht Jahre gegeben.
LIAO YIWU:
Und anschließend Umerziehung durch Arbeit.
LIU YI:
Gefängnis Nummer 1 und 2 , ich bin überall gewesen. Vor allem Mäntel genäht, Röcke und Umhängetaschen. Ich erinnere mich, eine Zeitlang haben wir Tag und Nacht geschuftet, mit Überstunden und noch mehr Überstunden, wir produzierten Plastikhandschuhe für den Export nach Amerika; nach einer Woche waren die Finger ganz deformiert. Schauen Sie, dieser Finger hier hat sich bis heute nicht wieder erholt. Natürlich, wer Geld hatte, hat die Polizisten bestochen und brauchte nicht arbeiten.
Als meine Zeit um war, haben mein älterer Bruder und meine jüngere Schwester mich am Gefängnis abgeholt. Wir haben uns eine Weile am Haupttor in den Armen gelegen und geweint, und dann sind wir drei ohne ein weiteres Wort zur Bushaltestelle vor der Mauer des Nr. 2 gegangen.
LIAO YIWU:
Damals war der revolutionäre Elan verpufft.
LIU YI:
Drin hat man immer gedacht, die vom 4 . Juni würden bald rehabilitiert werden, aber zwei Jahre gingen ins Land, vier Jahre, fünf, sechs, sieben, acht Jahre gingen ins Land, es regte sich nichts. Ach, und selbst das hat aufgehört, niemand mehr erwartete Blumen oder Beifall. Das Ärgerliche war, dass man bei der Rückkehr in die Gesellschaft auch noch mit Diskriminierungen zu tun bekam. Am Tag meiner Entlassung bin ich in den Bus eingestiegen, da hat mich der Ticketverkäufer barsch gestoßen. Ich sagte, was machen Sie denn? Und er meinte, das ist kein Platz für Leute wie dich. Mir schoss das Blut in den Kopf, ich kam nicht mehr mit. Was ist denn in diesen Jahren passiert, haben die Leute denn kein Gedächtnis? Sind sie zu zähnefletschenden Teufeln geworden? Selbst wenn ich ein Mörder und Brandstifter wäre, ich habe meine Strafe abgebüßt, da kann doch nicht einfach jeder mit mir umspringen, wie er will. Ein Glück, dass meine Geschwister mich zurückgehalten haben, ich habe die geballte Faust wieder aufgemacht und gesagt: Junger Mann, ich bin heute gerade herausgekommen, das ist doch eigentlich ein glücklicher Tag, aber ich habe keine Angst davor, wieder reinzukommen. Ich rate dir, wegen so ein paar
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