Die Kunst des klugen Handelns: 52 Irrwege, die Sie besser anderen überlassen (German Edition)
Enkel zu hinterlassen. Wer dank des Falschen-Konsens-Effekts mutig und überzeugend auftrat, schindete damit Eindruck, schanzte sich überproportional viele Ressourcen zu und erhöhte damit die Wahrscheinlichkeit, seine Gene den nachfolgenden Generationen zu vererben. Zweifler waren weniger sexy.
Fazit: Gehen Sie davon aus, dass Ihre Sicht der Dinge von der Allgemeinheit nicht getragen wird. Mehr noch, gehen Sie davon aus, dass jene, die anders denken, keine Idioten sind. Seien Sie nicht ihnen gegenüber skeptisch, sondern zuerst gegenüber sich selbst.
WARUM SIE IMMER SCHON RECHT HATTEN
Geschichtsfälschung
Winston Smith, ein gebrechlicher, grüblerischer, 39-jähriger Büroangestellter, arbeitet im Ministerium für Wahrheit. Sein Job ist es, alte Zeitungsartikel und Dokumente umzuschreiben und sie auf den aktuellen Wissensstand zu bringen. Seine Arbeit ist wichtig. Das Revidieren der Vergangenheit schafft die Illusion absoluter Unfehlbarkeit und hilft so der Regierung, ihre absolute Macht zu sichern. Geschichtsklitterung wie in George Orwells Klassiker 1984 ist gang und gäbe. Es mag schrecklich klingen, aber auch in Ihrem Hirn ist ein kleiner Winston am Werk. Schlimmer noch: Während er seine Arbeit in Orwells Roman unfreiwillig verrichtet und sich schließlich gegen die herrschende Ordnung auflehnt, arbeitet er in Ihrem Hirn mit höchster Effizienz und in völliger Harmonie mit Ihren Wünschen und Zielen. Er revidiert Ihre Erinnerungen mit einer Leichtigkeit, ja Eleganz, dass es Ihnen gar nicht auffällt. Still und zuverlässig entsorgt der kleine Winston Ihre alten, falschen Ansichten. Und Sie sind überzeugt: Sie hatten immer schon recht gehabt.
Im Jahr 1973 bat der amerikanische Politikwissenschaftler Gregory Markus 3.000 Menschen, ihre Haltung zu kontroversen politischen Thesen (zum Beispiel Legalisierung von Drogen) anzukreuzen – von »bin derselben Meinung« bis »bin komplett anderer Meinung«. Zehn Jahre später befragte er die gleichen Menschen erneut zu denselben Themen. Gleichzeitig sollten sie angeben, wie sie vor zehn Jahren über diese Themen gedacht haben. Das Resultat: Die Angaben in der Kolonne »Was ich vor zehn Jahren gedacht habe« waren fast identisch mit den heutigen Ansichten – und weit entfernt von den tatsächlichen Ansichten aus dem Jahr 1973.
Indem wir unbewusst die vergangenen den heutigen Ansichten anpassen, umgehen wir die peinlichen Momente, in denen wir mit unserer Fehlbarkeit konfrontiert werden. Eine angenehme Strategie, denn egal, wie abgehärtet wir sind: Fehler einzugestehen ist eine der emotional schwierigsten Aufgaben. Erstaunlich. Eigentlich sollten wir jedes Mal einen Freudenschrei ausstoßen, wenn uns klar wird, dass wir falschlagen. Schließlich haben wir uns in diesem Moment der falschen Sicht entledigt und sind damit einen Schritt weitergekommen. Aber so ticken wir nicht.
Aber gibt es nicht doch Erinnerungen, die sich akkurat im Hirn eingegraben haben? Sie wissen doch genau, wo Sie sich am 11. September 2001 aufhielten, wo Sie saßen oder standen, als Sie von der Terrorattacke in New York erfuhren, oder? Sie wissen mit Sicherheit, mit wem Sie in diesen Minuten gesprochen haben und was Sie dabei fühlten. Ihre Erinnerungen an den 11. September sind außerordentlich lebhaft und detailliert – Flashbulb Memories , wie Psychologen sagen, Blitzlichterinnerungen, fehlerfrei wie eine Fotoaufnahme.
Falsch. Flashbulb Memories sind ebenso fehlerhaft wie die »normalen« Erinnerungen. Sie sind das Ergebnis von Rekonstruktionen. Ulrich Neisser von der Emory University in Atlanta hat Flashbulb Memories getestet. Am Tag nach der Explosion des Space Shuttles Challenger im Jahr 1986 befragte er die Studenten im Detail nach ihren Eindrücken, die sie in Form eines Aufsatzes niederschrieben. Drei Jahre später befragte er sie erneut. Weniger als 7 % der zweiten Angaben deckten sich mit den ersten. 50 % waren falsch in zwei Dritteln der Punkte, bei 25 % stimmte kein einziges Detail überein. Neisser präsentierte einer Studentin den ersten Aufsatz, dessen Inhalt sich nicht mit ihren Erinnerungen deckte. Ihre Antwort: »Ich weiß, es ist meine Handschrift, aber ich kann das unmöglich geschrieben haben.« Bleibt die Frage, warum sich Blitzlichterinnerungen so richtig anfühlen. Man weiß es noch nicht.
Fazit: Sie erinnern sich wie eine Blitzlichtaufnahme an den Moment, wo Sie Ihrem Lebenspartner zum ersten Mal begegnet sind. Gehen Sie davon aus, dass die Hälfte davon
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