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Die Kunst des klugen Handelns: 52 Irrwege, die Sie besser anderen überlassen (German Edition)

Die Kunst des klugen Handelns: 52 Irrwege, die Sie besser anderen überlassen (German Edition)

Titel: Die Kunst des klugen Handelns: 52 Irrwege, die Sie besser anderen überlassen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Dobelli
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biologische Tatsache. Die Identifikation mit einer Gruppe verzerrt Ihre Sicht auf die Tatsachen. Sollten Sie jemals an eine Kriegsfront geschickt werden, dann desertieren Sie. Wer sich für andere in die Schlacht wirft, ist nicht in erster Linie mutig – sondern vor allem dumm.



WARUM WIR NICHT GERNE INS BLAUE HINAUSSEGELN
    Ambiguitätsintoleranz
    Nehmen Sie zwei Urnen. In Urne A befinden sich 50 rote und 50 schwarze Kugeln. In Urne B befinden sich ebenfalls 100 Kugeln, einige rot, einige schwarz, aber Sie kennen die Verteilung nicht. Sie greifen blindlings hinein. Ich schenke Ihnen 100 Euro, wenn Sie eine rote Kugel ziehen. Für welche Urne entscheiden Sie sich – A oder B? Wenn Sie so ticken wie die meisten Menschen, entscheiden Sie sich für A.
    Spielen wir ein zweites Mal, mit denselben Urnen. Diesmal schenke ich Ihnen 100 Euro, wenn Sie eine schwarze Kugel ziehen. Für welche Urne entscheiden Sie sich? Wiederum für A, vermutlich. Doch das ist unlogisch! Beim ersten Spiel sind Sie davon ausgegangen, dass Urne B weniger als 50 rote (also mehr als 50 schwarze Kugeln) enthält. Also müssten Sie beim zweiten Spiel konsequenterweise auf Urne B setzen.
    Keine Angst, Sie sind nicht allein mit diesem Denkfehler, ganz im Gegenteil. Er ist als Ellsberg-Paradoxon bekannt – benannt nach Daniel Ellsberg, dem einstigen Harvard-Psychologen (der später, dies nur am Rande, Präsident Nixon zu Fall brachte, indem er die geheimen Pentagon-Papiere der Presse zuspielte.) Das Ellsberg-Paradoxon oder Ambiguitätsintoleranz ist der empirische Befund, dass uns bekannte Wahrscheinlichkeiten lieber sind als unbekannte.
    Damit sind wir beim Unterschied zwischen Risiko und Unbestimmtheit (oder Ambiguität). Risiko heißt: Die Wahrscheinlichkeiten sind bekannt, Sie können auf deren Basis entscheiden, ob Ihnen das Risiko zu groß ist oder nicht. Im Fall von Unbestimmtheit geht das nicht. Die beiden Begriffe werden so häufig verwechselt wie Cappuccino und Latte macchiato – mit bedeutend schwerwiegenderen Konsequenzen. Mit Risiko kann man rechnen, mit Unbestimmtheit nicht. Es gibt eine 300-jährige Wissenschaft des Risikos (genannt Statistik). Es gibt ein Heer von Professoren, die sich damit befassen, aber kein einziges Lehrbuch zum Thema Unbestimmtheit. Darum versuchen wir, die Ambiguität in die Kategorien des Risikos zu zwängen, wo sie eigentlich gar nicht hinpasst. Zwei Beispiele, eines aus der Medizin (wo es funktioniert) und eines aus der Ökonomie (wo es nicht funktioniert).
    Es gibt Milliarden von Menschen. Ihre Körper unterscheiden sich nicht dramatisch. Wir alle erreichen eine ähnliche Körpergröße (niemand wird 100 Meter groß) und ein ähnliches Alter (niemand lebt 10.000 Jahre oder bloß eine Millisekunde). Die meisten von uns haben zwei Augen, vier Herzklappen und so weiter. Eine andere Spezies würde uns als homogen betrachten – so homogen, wie wir zum Beispiel Mäuse betrachten. Das ist der Grund, weshalb es viele ähnliche Krankheitsfälle gibt. So ist es zum Beispiel sinnvoll, zu sagen: »Das Risiko, dass Sie an Krebs sterben, beträgt 30 %.« Sinnlos hingegen ist der Satz: »Mit einer 30 %igen Wahrscheinlichkeit wird der Euro in den nächsten fünf Jahren kollabieren.« Warum? Die Ökonomie befindet sich im Reich der Unbestimmtheit. Es gibt nicht Milliarden vergleichbarer Währungen, aus deren Geschichte wir Wahrscheinlichkeiten ableiten könnten. Das ist übrigens auch der Unterschied zwischen einer Lebensversicherung und einem Credit Default Swap, einer Versicherung gegen Zahlungsausfälle. Im ersten Fall sind wir im kalkulierbaren Reich des Risikos, im zweiten im Reich der Unbestimmtheit. Diese Konfusion hat zur Finanzkrise 2008 geführt. Hören Sie Sätze wie »Das Risiko einer Hyperinflation beträgt x %« oder »Das Risiko auf unseren Aktienpositionen beträgt y %«, dann sollte es Ihnen den Magen zusammenziehen.
    Sie müssen also, wenn Sie nicht voreilig und falsch urteilen wollen, Ambiguität ertragen können. Wie gut Ihnen das gelingt, können Sie leider nur beschränkt beeinflussen – eine entscheidende Rolle spielt dabei Ihre Amygdala. Die Amygdala ist eine nussgroße Hirnregion in der Mitte Ihres Schädels. Je nachdem, wie sie gebaut ist, werden Sie Unbestimmtheit leichter oder schwerer aushalten. Das zeigt sich nicht zuletzt in Ihrer politischen Ausrichtung: Je schlechter Sie mit Unbestimmtheit leben können, desto konservativer werden Sie wählen.
    So oder so: Wer klar denken will, muss

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