Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kunst des klugen Handelns: 52 Irrwege, die Sie besser anderen überlassen (German Edition)

Die Kunst des klugen Handelns: 52 Irrwege, die Sie besser anderen überlassen (German Edition)

Titel: Die Kunst des klugen Handelns: 52 Irrwege, die Sie besser anderen überlassen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Dobelli
Vom Netzwerk:
Ärzte. Hauptberufliche Ordnungshüter sind in ihren eigenen Familien doppelt so gewalttätig wie Nichtpolizisten. Literaturkritiker schreiben zuverlässig die dürftigsten Romane. Und fast schon sprichwörtlich sind die Paartherapeuten, deren Ehen zerbrechlicher sind als die ihrer Klienten.
    Fazit: Was man in einem Gebiet meisterhaft beherrscht, lässt sich nur schwer auf ein anderes übertragen. Das gilt auch für das Schulwissen. Denken Sie an den damaligen Klassenbesten. Wetten, dass Sie heute erfolgreicher sind als er?



WARUM SIE DENKEN, DIE ANDEREN WÜRDEN SO DENKEN WIE SIE
    Falscher-Konsens-Effekt
    Welche Musik mögen Sie lieber – die Musik der 60er- oder die der 80er-Jahre? Wie, glauben Sie, würde die breite Bevölkerung diese Frage beantworten? Die meisten Menschen tendieren dazu, von sich auf andere zu schließen. Lieben sie persönlich die Musik der 60er, gehen sie automatisch davon aus, dass es einem Großteil ihrer Zeitgenossen auch so geht. Auch Leute, die die 80er-Jahre bevorzugen, glauben sich in der Mehrheit. Wir tendieren dazu, den Grad der Übereinstimmung mit anderen zu überschätzen. Wir glauben, die anderen würden ebenso denken und empfinden wie wir. Diesen Denkfehler nennt man den Falschen-Konsens-Effekt .
    Der Stanford-Psychologe Lee Ross ist 1977 darauf gestoßen. Er zimmerte ein Schild, auf dem der Werbeslogan »Eat at Joe’s« (»Essen Sie in Joes Restaurant«) prangte, und bat zufällig ausgesuchte Studenten, dieses Schild auf dem Campus 30 Minuten lang spazieren zu tragen. Gleichzeitig sollten sie schätzen, wie viele andere Studenten sich für diesen kleinen Job zur Verfügung stellen würden. Jene, die sich dazu bereit erklärten, das Schild zu tragen, gingen davon aus, dass die Mehrheit (62 %) aller andern Studenten ebenfalls zusagen würde. Wer dankend ablehnte, glaubte hingegen, dass es einer Mehrheit (67 %) der Studenten ebenfalls zu blöd sein würde, sich als wandelnde Litfaßsäule zu betätigen. In beiden Fällen wähnten sich die Studenten im Konsens mit der Mehrheit.
    Den Falschen-Konsens-Effekt findet man in Interessenverbänden und politischen Splitterparteien, die die Brisanz ihrer Anliegen systematisch überschätzen. Offensichtlich zutage tritt er zum Beispiel an der Frage, wie dramatisch die Klimaerwärmung einzuschätzen sei. Wie auch immer Ihr Standpunkt in dieser Sache ist, Sie werden vermutlich glauben, die Mehrheit der Bevölkerung teile Ihre Ansicht. Wenn sich Politiker überzeugt geben, gewählt zu werden, ist das deshalb nicht bloß Zweckoptimismus. Sie überschätzen ihre Wahlchancen tatsächlich systematisch und ungewollt. Und als Wähler überschätzen Sie die Chancen Ihrer Lieblingspartei um einige Prozentpunkte.
    Noch ärmer sind die Künstler dran. Sie erwarten in 99 % der Fälle mehr Erfolg, als ihnen je beschert sein wird. Ich war zum Beispiel vollkommen überzeugt, dass mein Roman Massimo Marini ein durchschlagender Erfolg werden würde. Er war mindestens so gut wie die vorherigen, dachte ich – und die hatten sich prima verkauft. Nur: Das Publikum war anderer Ansicht. Ich hatte mich getäuscht: Falscher-Konsens-Effekt .
    Natürlich bleibt auch die Wirtschaft nicht vor solchen Fehlschlüssen gefeit. Weil eine Entwicklungsabteilung von ihrem Produkt überzeugt ist, heißt das noch lange nicht, dass die Konsumenten ebenso denken werden. Das bekommen besonders Firmen zu spüren, wo die Techniker das Sagen haben. Die Tüftler verlieben sich in ihre ausgeklügelten Raffiniertheiten und glauben fälschlicherweise, das würde die Konsumenten interessieren.
    Der Falsche-Konsens-Effekt ist noch aus einem zweiten Grund interessant. Leute, die unsere Meinung nicht teilen, stempeln wir gerne als »nicht ganz normal« ab. Auch das zeigte das Experiment von Lee Ross: Studenten, die bereit waren, das Schild zu tragen, bezeichneten jene, die sich weigerten, als »Verklemmte ohne Sinn für Humor«. Diese wiederum nannten die Schildträger »Idioten« und »Leute, die sich immer in den Mittelpunkt stellen müssen«.
    Vielleicht erinnern Sie sich an den Denkfehler Social Proof aus Die Kunst des klaren Denkens . Ist der Falsche-Konsens-Effekt damit identisch? Nein. Social Proof ist unbewusster Gruppendruck. Beim Falschen-Konsens-Effekt ist kein Druck im Spiel. Eine soziale Funktion hat er aber trotzdem – deshalb hat ihn die Evolution wohl nicht ausgemerzt. Unser Hirn ist nicht dafür gebaut, die Wahrheit zu erkennen, sondern dafür, möglichst viele Kinder und

Weitere Kostenlose Bücher