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Die Kunst des klugen Handelns: 52 Irrwege, die Sie besser anderen überlassen (German Edition)

Die Kunst des klugen Handelns: 52 Irrwege, die Sie besser anderen überlassen (German Edition)

Titel: Die Kunst des klugen Handelns: 52 Irrwege, die Sie besser anderen überlassen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Dobelli
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entwickeln«, sagte mein Gegenüber, als es den Réserve du Patron probierte. Begeisterung, dachte ich, sieht anders aus.



WARUM DIE »LETZTE CHANCE« IHREN KOPF VERDREHT
    Die Angst vor Reue
    Zwei Geschichten. Paul besitzt Aktien der Firma A. Im Verlauf des Jahres überlegt er sich, diese zu verkaufen und stattdessen Aktien der Firma B zu kaufen. Er tut es aber nicht. Heute ist klar, dass er damit 1.200 Dollar mehr verdient hätte. Zweite Geschichte: Georg besitzt Aktien der Firma B. Im Verlauf des Jahres verkauft er sie und kauft Aktien der Firma A. Heute ist klar, dass er 1.200 Dollar mehr verdient hätte, wenn er die Aktien der Firma B behalten hätte. Wer fühlt mehr Reue?
    Reue ist das Gefühl, falsch entschieden zu haben. Man wünscht sich, jemand würde einem eine zweite Chance geben. Also, wer fühlt mehr Reue – Paul oder Georg? Befragungen liefern ein eindeutiges Resultat: 8 % der Befragten sagen Paul, 92 % der Befragten Georg. Warum dieser Unterschied? Objektiv betrachtet sind die beiden Situationen identisch. Sowohl Paul als auch Georg haben unglücklicherweise auf die falsche Aktie gesetzt. Der einzige Unterschied: Paul besaß die Aktien A schon, während Georg sie erst kaufte. Paul war passiv, Georg aktiv. Paul entspricht dem Normalfall – die meisten Leute lassen ihr Geld über Jahre liegen, wo es ist –, Georg ist eine Ausnahme. Offenbar empfindet derjenige mehr Reue, der aus der Reihe tanzt, dessen Verhalten nicht jenem der Mehrheit entspricht.
    Manchmal kann auch das Unterlassen einer Handlung die Ausnahme darstellen. Beispiel: Ein altehrwürdiger Verlag verweigert sich als einziger dem Trend, E-Books zu publizieren. Ein Buch bestehe aus Papier, so der Geschäftsführer, und an dieser Tradition halte er fest, basta. Nun gehen zehn Verlage Bankrott. Neun davon haben sich erfolglos an einer E-Book-Strategie versucht, beim zehnten handelt es sich um den klassischen Print-Verlag. Wer wird die vergangenen Entscheidungen am meisten bereuen, wer wird am meisten Mitleid ernten? Richtig, der stoische E-Book-Verweigerer.
    Noch ein Beispiel, aus Daniel Kahnemans Buch Thinking, Fast and Slow : Nach jedem Flugzeugabsturz hören wir die Geschichte von dem einen Unglücksraben, der ursprünglich einen Tag früher oder später fliegen wollte, aber aus irgendeinem Grund sein Ticket in letzter Minute auf den Crash-Flug umgebucht hat. Auch hier: Er ist die Ausnahme, darum empfinden wir mehr Mitleid für ihn als für die vielen »Normalfälle«, die von Anfang an auf der Unglücksmaschine gebucht waren.
    Diese Angst vor Reue (englisch: fear of regret ) drängt uns bisweilen zu irrationalem Handeln. Um in Zukunft nicht das schreckliche Gefühl der Reue zu empfinden, tendieren wir dazu, konventionell zu handeln, also den Kopf nicht weit aus der Masse zu strecken. Niemand ist davor gefeit, nicht einmal professionelle Aktienhändler. Statistiken zeigen: Auf den 31. Dezember hin – den Stichtag, an dem die Jahresperformance eines Händlers gemessen und sein Bonus berechnet wird – verkaufen Trader tendenziell ihre exotischen Positionen und gliedern sich in die Masse der Anleger ein. Oder: Die Angst vor Reue hält Sie davon ab, Dinge wegzuwerfen, die Sie nicht mehr brauchen. Sie haben Angst vor dem Missbehagen, das Sie in dem unwahrscheinlichen Fall erreicht, wenn Sie die ausgeleierten Tennisschuhe doch noch einmal brauchen könnten.
    Wirklich idiotisch wird die Angst vor Reue in Kombination mit einer »letzten Chance«. Ein Safari-Prospekt schreibt von »der letzten Chance, ein Nashorn zu sehen, bevor die Tierart ausgestorben ist«. Nur, wenn wir es bis heute nicht als wichtig erachtet haben, ein Nashorn zu sehen, ist es unvernünftig, es jetzt zu wollen.
    Nehmen wir an, Sie träumen schon lange von einem Einfamilienhaus. Das Bauland wird knapp. Parzellen mit Seesicht gibt es nur noch eine Handvoll. Noch drei, noch zwei, noch eine. »Die letzte Chance!«, schießt es Ihnen durch den Kopf – und Sie kaufen die Parzelle zu einem horrenden Preis. Die Angst vor Reue hat Sie vergessen lassen, dass immer Grundstücke mit Seesicht auf den Markt kommen werden. Der Handel mit schönen Immobilien hört ja nicht zufälligerweise heute auf. »Letzte Chancen« machen uns kopflos, und die Angst vor Reue kann ganze Lebensläufe umkrempeln – gelegentlich auf tragische Weise. Ich kenne Frauen, die haben sich mit Anfang 40 bei einer flüchtigen Begegnung noch schnell ein Kind erschlichen – und dafür mit üblen

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