Die Kunst des klugen Handelns: 52 Irrwege, die Sie besser anderen überlassen (German Edition)
beschäftigt, mein Fahrrad die Anhöhe zum Gymnasium hochzustoßen, als ich unter meinen Füßen ein seltsames Blatt erblickte. Es war groß und rostbraun, und als ich mich bückte, sah ich, dass es eine 500er-Note war (die gab es damals noch). 500 Franken – ein Geschenk des Himmels für einen Schüler.
Ich hatte das Geld kaum eingesteckt, gab ich es schon wieder aus, kaufte mir ein Luxusfahrrad mit Scheibenbremsen und Shimano-Schaltung, eines der besten Modelle auf dem Markt – obwohl mein altes noch perfekt funktionierte.
Natürlich hatte ich bis zu jenem Tag schon einige Hundert Franken auf die Seite gelegt. Aber es wäre mir nie in den Sinn gekommen, dieses zusammengesparte Geld in ein unnötiges Fahrrad umzutauschen. Davon leistete ich mir höchstens ab und zu einen Kinoeintritt. Erst später fiel mir auf, wie irrational mein Verhalten gewesen war. Geld ist Geld, sollte man meinen. Aber wir ticken nicht so. Je nachdem, wie wir dazu gekommen sind, behandeln wir es anders. Geld ist nicht nackt, es ist in emotionale Kleider gehüllt.
Zwei Fragen. Sie haben ein Jahr lang hart gearbeitet. Am Ende des Jahres stehen 20.000 Euro mehr auf dem Konto als zu Beginn. Was machen Sie damit? A) Sie lassen es auf dem sicheren Bankkonto stehen. B) Sie investieren es. C) Sie tätigen damit notwendige Anschaffungen, renovieren zum Beispiel endlich Ihre schimmlige Küche. D) Sie leisten sich damit eine Luxuskreuzfahrt. Wie entscheiden Sie? Wenn Sie denken wie die meisten Menschen, entscheiden Sie sich für A, B oder C.
Zweite Frage: Sie sind Lottogewinner von 20.000 Euro. Was machen Sie damit? Schauen Sie sich die Antworten noch einmal an. A, B, C oder D? Die meisten Menschen wählen jetzt C oder D. Und begehen natürlich einen Denkfehler, denn 20.000 Euro sind 20.000 Euro.
Ein ähnlicher Denkfehler ist in Kasinos zu beobachten. Ein Freund setzt 1.000 Euro im Roulette – und verliert alles. Darauf angesprochen antwortet er: »Ich habe nicht wirklich 1.000 Euro verspielt. Es waren die 1.000 Euro, die ich vorher gewonnen hatte.« »Aber es ist doch der gleiche Betrag!« »Nicht für mich«, lacht er.
Mit gewonnenem, gefundenem, geerbtem Geld gehen wir leichtfertiger um als mit erarbeitetem. Der Ökonom Richard Thaler nennt das den House Money Effect , die Tendenz, dass sich die Risikobereitschaft nach spekulativ erwirtschafteten Gewinnen erhöht. Darum sind Lottogewinner Jahre später oft ärmer dran als vor dem Supergewinn. Auch der Volksmund kennt den House Money Effect : »Wie gewonnen, so zerronnen« ist der populäre Ausdruck dafür.
Thaler teilte seine Studenten in zwei Gruppen ein. Der ersten Gruppe sagte er, sie hätten soeben 30 Dollar gewonnen und könnten nun wählen, beim folgenden Münzwurf mitzumachen: Bei Zahl gewinnen sie neun Dollar, bei Kopf verlieren sie neun Dollar. 70 % der Studenten wählten den Münzwurf. Den Studenten der zweiten Gruppe sagte er, sie hätten nichts gewonnen, aber sie dürften wählen zwischen einem sicheren Gewinn von 30 Dollar oder einem Münzwurf, bei dem sie bei Kopf 21 Dollar und bei Zahl 39 Dollar gewinnen. Die zweite Gruppe verhielt sich konservativer. Nur 43 % wählten das Risiko – obwohl der Erwartungswert in allen Fällen derselbe war, nämlich 30 Dollar.
Marketingstrategen wissen, was der House Money Effect wert ist. Online-Gambling-Portale »schenken« Ihnen 100 Dollar Spielgeld, wenn Sie Mitglied werden. Kreditkartenfirmen in den USA »schenken« Ihnen einen Bonus von 100 Dollar, wenn Sie das Antragsformular ausfüllen. Fluggesellschaften schenken Ihnen einige Tausend Meilen, wenn Sie dem Frequent-Flyer-Klub beitreten. Es gibt Telekom-Firmen, die Ihnen am Anfang ein Gesprächsguthaben »schenken«, was Sie dazu verleitet, unnötig viel zu telefonieren. Ein Großteil der Gutscheinkultur basiert auf dem House Money Effect .
Fazit: Seien Sie vorsichtig, wenn Sie Geld gewinnen oder Unternehmen Ihnen etwas »schenken«. Die Gefahr ist groß, dass Sie aus lauter Übermut bald sehr viel mehr zurückschenken. Besser, Sie reißen diesem Geld die aufreizenden Kleider vom Leib und stecken es in ein Arbeitsgewand. Auf Ihrem Bankkonto.
WARUM NEUJAHRSVORSÄTZE NICHT FUNKTIONIEREN
Prokrastination
Ein Freund, Schriftsteller, einer, der es versteht, Emotionen in Sätze zu bannen, ein Sprachkünstler also, schreibt alle sieben Jahre ein Büchlein von knapp 100 Seiten. Sein Output entspricht zwei Druckzeilen pro Tag. Auf seine dürftige Leistung angesprochen, antwortet er:
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