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Die Kunst des Pirschens

Titel: Die Kunst des Pirschens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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vorstellen könnte, sie in einer Modezeitschrift abgebildet zu sehen. Die Tatsache, daß sie so schön und so hellhäutig vielleicht von französischer oder norditalienischer Abstammung - war, hatte mich schockiert. Obgleich auch Vicente kein Indianer war, hatte seine bäuerliche Erscheinung irgendwie meine Überraschung gedämpft. Ich fragte Don Juan, wieso auch Nicht-Indianer zu seiner Welt gehörten. Er sagte, daß die Kraft selbst die Krieger für den Trupp eines Nagual auswähle und daß es unmöglich sei, ihre Absichten zu erkennen.
    Wir warteten etwa eine halbe Stunde vor dem Laden. Don Juan schien ungeduldig zu werden und bat mich, hineinzugehen und sie zur Eile zu mahnen. Ich ging hinein. Es war kein großes Geschäft, und es gab auch keine Hintertür, und doch waren die beiden nirgends zu sehen. Ich fragte die Verkäuferinnen, aber sie konnten mir nicht helfen.
    Ich stellte Don Juan zur Rede. Ich wollte wissen, was eigentlich los sei. Er sagte, sie hätten sich entweder in Luft aufgelöst, oder sie hätten sich hinausgeschlichen, während er mir den Rücken klopfte.
    Ich erklärte ihm wütend, daß die meisten seiner Leute Schelme seien. Er lachte, bis ihm die Tränen über die Wangen liefen. Er sagte, ich sei der ideale gefoppte Narr. Meine Wichtigtuerei mache mich zu einer köstlichen Zielscheibe. Er lachte über meinen Ärger so sehr, daß er sich gegen eine Wand d lehnen mußte.
    La Gorda berichtete mir von ihrer ersten Begegnung mit den Mitgliedern von Don Juans Trupp.
    Ihre Version unterschied sich nur im Inhalt von der meinen, in der Form war sie dieselbe. Mit ihr waren die Krieger vielleicht etwas gewalttätiger umgegangen, aber sie hatte es als einen Versuch aufgefaßt, sie aus ihrem Schlaf wachzurütteln, und auch als natürliche Reaktion auf ihren, wie sie meinte, häßlichen Charakter.
    Als wir uns über Don Juans Welt Gedanken machten, erkannten wir, daß sie eine Kopie der Welt seines Wohltäters war. Auch hier konnte man sagen, daß sie entweder aus Gruppen oder aus Haushalten bestand. Da gab es eine Gruppe von vier unabhängigen Frauenpaaren, anscheinend Schwestern, die zusammen lebten und arbeiteten.
    Don Juans Alter waren und ihm sehr nahestanden; ein Team von zwei etwas jüngeren Männern, die Kuriere Emilito und Juan Tuma; und schließlich ein Team von zwei jüngeren südlichen Frauen, die miteinander verwandt zu sein schienen, Marta und Teresa. Dann wieder schien diese Welt aus vier unabhängigen Haushalten zu bestehen, die weit voneinander entfernt in verschiedenen Teilen Mexikos lebten. Einer bestand aus den zwei westlichen Frauen Zuleica und Zoila, Silvio Manuel und dem Kurier Marta. Ein anderer bestand aus den südlichen Frauen Cecilia und Delia, Don Juans Kurier Emilito und dem Kurier Teresa. Einen weiteren Haushalt bildeten die östlichen Frauen Carmela und Hermelinda, Vicente und der Kurier Juan Tuma; und der letzte bestand aus den nördlichen Frauen Nelida und Florinda und Don Genaro.
    Don Juan zufolge war seine Welt nicht von der gleichen Harmonie und Ausgeglichenheit wie die seines Wohltäters. Die einzigen zwei Frauen, die einander ausglichen und ergänzten und die zudem wie identische Zwillinge aussahen, waren die Kriegerinnen des Nordens, Nelida und Florinda. Nelida erzählte mir einmal gesprächsweise, sie seien sich so ähnlich, daß sie sogar die gleiche Blutgruppe hätten.
    Eine der angenehmsten Überraschungen unserer Interaktion war für mich die Verwandlung von Zuleica und Zoila, die so abscheulich gewesen waren. Sie erwiesen sich, wie Don Juan schon gesagt hatte, als die vernünftigsten und schönsten Kriegerinnen, die man sich vorstellen kann.
    Ich wollte meinen Augen nicht trauen, als ich sie wiedersah. Ihr Wahnsinnsanfall war vorüber.
    Sie sahen aus wie zwei gutgekleidete mexikanische Damen; groß, dunkelhäutig und muskulös, mit strahlenden schwarzen Augen, die wie glänzende schwarze Obsidianperlen aussahen. Sie lachten und scherzten mit mir über die Geschehnisse am ersten Abend unserer Begegnung, als ob nicht sie selbst, sondern jemand anders daran beteiligt gewesen wäre. Ich konnte Don Juans Schwierigkeiten mit den westlichen Kriegerinnen aus dem Trupp seines Wohltäters jetzt gut verstehen. Ich konnte mich einfach nicht damit abfinden, daß Zuleica und Zoila sich manchmal in so abscheuliche, ekelerregende Geschöpfe verwandelten. Oft war ich Zeuge ihrer Verwandlung, und doch konnte ich später nie wieder so hart über sie urteilen, wie ich es bei unserer

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