Die Kunst des Sterbens: Thriller (German Edition)
er hatte keine Angst mehr. Mag sein, dass die ganze Sache kein gutes Ende nahm, aber wenigstens konnte er Vorkehrungen treffen.
Ein Mann, den er noch nie gesehen hatte, öffnete die Tür. Er war groß, dunkelhäutig und hatte kurz geschorenes Haar.
»Ja?«
»Ich bin hier, um mich mit Mr. Qazai zu treffen.«
»Ihr Name?«
»Webster.«
Der Mann trat zur Seite, bat ihn hinein und ließ seinen Blick über die Straße wandern, bevor er die Tür schloss.
»Ich lasse Mr. Qazai wissen, dass Sie da sind.«
Webster zog seinen Regenmantel aus, und als er sich nach einer Garderobe umschaute, kam Ava aus dem Wohnzimmer. Sie trug einen schwarzen Pullover und schwarze Jeans, und sie warf ihm einen langen, prüfenden und unangenehmen Blick zu, bevor sie etwas sagte.
»Sie sind hier, um einen Plan auszuhecken, oder?«
»Ich bin hier, um zu helfen«, sagte er und fuhr sich mit der Hand durch das nasse Haar.
Sie sah ihm einen Moment in die Augen, und es schien schon, als wollte sie gehen, aber dann überlegte sie es sich aus irgendeinem Grund anders. Sie wandte sich wieder zu ihm um, während sie sich auf die Unterlippe biss, die Hände in die Hüften gestemmt.
»Ich möchte, dass Sie mir erklären, was los ist. Er will mir nichts sagen. Ich habe keine Ahnung.«
Webster holte tief Luft und schaute zu Boden. »Das kann ich nicht. Das muss er Ihnen schon selber sagen.«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Nein. Das wird er nicht tun.« Ihre Stimme klang gepresst. »Alles hier ist ein Scheißgeheimnis. Am Samstag ruft er mich an und sagt, ich müsse London für eine Woche verlassen. Aus heiterem Himmel. Er fragt mich, wo Raisa und die Kinder sind, und ob ich ihre Nummer in Slowenien herausfinden kann. Dann hat er jemanden vorbeigeschickt, der mich hergebracht hat, ohne ein Wort der Erklärung. Außer dass ich in Gefahr bin.« Sie verschränkte die Arme. »Ich bin keine Schaulustige, ich bin in die Sache verwickelt. Verstehen Sie?«
Ihre Augen waren voller Schmerz und blutunterlaufen, und während sie auf Websters Antwort wartete, konnte er sehen, wie sie auf die Innenseite ihrer Lippe biss und versuchte, die Fassung zu wahren. Hammer hatte recht. Sie sollte es wissen; nicht weil sie sich als nützlich erweisen könnte – obwohl er, weiß Gott, lieber über sie mit Qazai kommunizieren würde –, sondern weil sie recht hatte. Sie war genauso in die Sache verwickelt wie er.
Hinter ihr ertönte das abgehackte Geräusch von Schritten auf Steinboden. Ava fuhr herum, und da war Qazai. Er blieb einen Moment stehen, betrachtete die Szene, während er sich offensichtlich fragte, worüber sie gerade gesprochen hatten.
»Ava. Das ist eine Sache zwischen mir und Mr. Webster. Lass uns, bitte, alleine.«
Ava warf Webster einen vielsagenden Blick zu, als hätte sie erraten, was er dachte, und forderte ihn stumm auf, es auszusprechen. Aber das ging nicht. Er durfte Qazai nicht von seinem heiklen Kurs abbringen.
»Er muss es Ihnen schon selber erzählen«, sagte er. »Tut mir leid.«
Während sie ihn anstarrte, schüttelte sie schwach und verächtlich den Kopf, drehte sich um und ging, ohne ihren Vater eines Blickes zu würdigen. Webster beobachtete, wie sie die Treppe hinauflief, und kam sich schrecklich blöd vor.
»Setzen wir uns in mein Arbeitszimmer«, sagt Qazai. Er wirkte äußerlich verändert. Er hatte seinen Elan verloren, und seine Bewegungen waren schwerfällig. Er war jetzt ein alter Mann.
Drei der Wände in dem kleinen Zimmer bestanden größtenteils aus Bücherregalen, vom Boden bis zur Decke, die vierte war voller Bildschirme, allesamt ausgeschaltet. Es war dunkel: Durch ein einzelnes Schiebefenster, das auf eine zwei Meter entfernte Backsteinwand hinausging, fiel ein schmaler Lichtstreifen, die Lampe auf Qazais Schreibtisch war aus. Webster konnte in der Luft das süßliche Aroma von Whisky riechen.
Qazai forderte ihn mit einer Geste auf, sich zu setzen, und trat hinter den Schreibtisch.
»Haben Sie irgendetwas gehört?«
Webster verzog das Gesicht. »Von wem?«
»Von … von den Iranern?«
»Nein. Warum sollte ich?«
»Nur so.« Qazais Augen starrten aus dem Halbdunkel. Er schüttelte den Kopf. »Man kann ja nie wissen. Ich wollte nur nachfragen.«
Nicht zum ersten Mal hatte Webster das Gefühl, dass Qazai vom Kurs abkam.
»Sie müssen das hier bis zum Ende durchziehen. Sie wissen, Sie haben keine Wahl.«
Qazai schaute ihn an, runzelte resigniert die Stirn und nickte kurz. »Ich habe gute Neuigkeiten für
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