Die Kunst des Sterbens: Thriller (German Edition)
hatte seinen Notizblock beiseitegelegt und blätterte eines der Bücher auf dem Couchtisch durch, als sie das Zimmer betrat. Eigentlich hatte er erwartet, dass sie umwerfend gekleidet war, in Schwarz vielleicht, und ihn behandelte wie Frauen aus reichem Hause seinesgleichen normalerweise behandelten, als Personal. Doch gleich vom ersten Augenblick an entsprach sie nicht diesem Typus. Sie trug schwarze Jeans, weiße Tennisschuhe und eine graue Seidenbluse, und als er sich erhob, um ihr die Hand zu geben, wirkte sie keineswegs überlegen, vielmehr ungeduldig.
»Mr. Webster. Ava Qazai. Offensichtlich sollen wir uns zusammen ein bisschen die Zeit vertreiben.«
Webster erwiderte ihr leicht genervtes Lächeln. Ihre Augen, fast auf gleicher Höhe mit seinen, waren schwarz, sie hoben sich durch einen schmalen Strich Wimperntusche von ihrer olivfarbenen Haut ab und waren, abgesehen von einem kleinen Schnörkel an der Seite, vollkommen rund. Sie wirkten ernst und nicht wirklich selbstbewusst; Webster hatte das Gefühl, dass sie ihn musterte, als wollte sie herausfinden, welche Art von Wesen er war.
»Wie artige Kinder das tun«, lag es ihm auf der Zunge, doch stattdessen stellte er sich ein wenig unbeholfen vor; die Situation war ihm peinlich. Das hier war nicht die verzogene Prinzessin, die er erwartet hatte, und als ihm das klar wurde, fragte er sich, was sie wohl von ihm und seiner merkwürdigen, belanglosen Mission hielt.
»Ich sehe, man hat sich um Sie gekümmert«, sagte sie, als sie die Teller und Tassen auf dem Tisch bemerkte.
»Mehrmals.«
»Mein Vater möchte, dass sein Haus wirkt wie ein Teil von Teheran. ›Meine Oase‹ nennt er es immer.«
»Er hat hier ein paar hübsche Sachen.«
»Zu viele. Man hat nur Augen für eine begrenzte Anzahl von Dingen.«
Webster lächelte bloß und widerstand der Versuchung, ihr zuzustimmen.
»Bitte«, sagte sie, bedeutete ihm, Platz zu nehmen, und legte ihr Handy und ihr Portemonnaie auf den Tisch. Sie hatte die Gelassenheit ihres Vaters geerbt, allerdings nicht dessen Selbstbewusstsein, und als sie sich auf das gegenüberliegende Sofa setzte, sich apart zurücklehnte und die Beine übereinanderschlug, verströmte sie anders als er nicht jene Aura sorgfältig inszenierter Ungezwungenheit. Sonst war sie wie er und auch nicht – ihre Nase war gerade und kräftig, aber schmaler, ihre Haut hatte denselben gesunden, goldenen Schimmer, doch ihr Gesicht war runder, und ihre Augen wirkten irgendwie ehrlicher.
Sie warf einen Blick auf die Uhr. »Sie wollten mir ein paar Fragen stellen?«
»Ihr Vater hat vorgeschlagen, dass wir uns unterhalten.«
»Ich habe nicht viel Zeit.«
»Um ehrlich zu sein, ich weiß nicht, warum er wollte, dass wir uns unterhalten.«
Für einen Moment musterte Ava ihn eingehend, dann schüttelte sie den Kopf und lachte trocken. »Er zeigt mich gerne her. Weiß er, dass Sie verheiratet sind?« Sie deutete mit dem Kinn auf den Ring an Websters Hand.
Webster lächelte. »Ich habe so meine Zweifel, ob er jemanden wie mich in seiner Familie haben möchte.«
Ava beugte sich vor und nahm ein Nougatstück von einem der Teller auf dem Tisch. »Mir ist nicht ganz klar, was Sie überhaupt sind.«
»Ich bin Ermittler. Ich finde Dinge heraus.«
»Und was finden Sie für ihn heraus?«
»Warum sein Ruf Schaden genommen hat.«
»Mein Gott.« Sie kaute einen Moment. »Das dürfen wir nicht zulassen. Hat irgendjemand gemeine Sachen über ihn gesagt?«
»Kommt selten vor?«
»Er ist ein strahlendes Vorbild. Haben Sie das nicht gemerkt?« Sie wartete auf eine Reaktion von Webster, doch er verzog keine Miene. »Sie stellen also Nachforschungen an und erzählen dann allen, welchen Unsinn manche Leute reden?«
»So ungefähr, ja.« Webster hatte nicht damit gerechnet, dass er sich verteidigen musste. Sein Gespräch mit Qazai war seltsam und unergiebig gewesen, und dieses hier drohte einen ähnlich segensreichen Verlauf zu nehmen. Es war Zeit, das Haus der Qazais zu verlassen.
»Dann sind Sie kein Ermittler. Sondern ein PR-Mann.«
»Heute schon, ja.« Er rutschte Richtung Sofakante. »Ich sollte jetzt gehen. Wenn es Ihnen heute ungelegen ist, können wir vielleicht ein andermal reden.«
Ava lächelte, und jetzt schien es ehrlich gemeint. »Tut mir leid, Mr. Webster. Gegenüber Leuten aus Ihrer Branche bin ich ein wenig misstrauisch.« Sie machte eine Pause. »Iraner trauen Schnüfflern nicht über den Weg. Sagen Sie, was glauben Sie, warum will er, dass wir uns
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