Die Kunst des Sterbens: Thriller (German Edition)
sie sich zurück und lächelte. »Du siehst gar nicht so schlimm aus.«
Er prustete. »Es war ein bisschen wie ein Tag im Büro. Wie ein einziges langes Meeting.« Aber er wusste, dass sie nur nett sein wollte. Die Müdigkeit lastete auf seinen Schultern, und er konnte die Ringe unter seinen Augen spüren.
»Möchtest du einen Drink?«
»O ja.«
Sie nahm eine Flasche Whisky aus einem der Regale, aus einem anderen zwei Gläser und füllte beide einen Fingerbreit. »Wasser?«
Er schüttelte den Kopf und nahm das Glas, und an die Arbeitsplatte gelehnt prostete er ihr zu und trank davon. Für einen Moment sagte keiner der beiden etwas.
»Du bist also wieder auf freiem Fuß«, sagte Elsa schließlich mit einem leicht fragenden Unterton in der Stimme.
»Gut, dass du nicht gekommen bist.« Er versuchte zu lächeln. »Letztlich hat sich die Sache als haltlos erwiesen.«
Sie nahm einen Schluck. »Das klang vorhin aber anders.«
»Ja. Tut mir leid. Man wollte mir etwas Angst einjagen.«
Sie runzelte die Stirn und sah ihn an.
»Einige italienische Polizisten haben ihren Spaß daran«, sagte er.
»Das war nur ein Spielchen?«
»So ungefähr.«
Sie schürzte die Lippen und nickte. »Was wollten sie von dir?«
»Keine Ahnung.« Mit der freien Hand rieb er sich von Schläfe zu Schläfe die Stirn. »Die haben mich verarscht. Ich bin ihnen bei einem aktuellen Fall in die Quere gekommen. Man muss Italiener sein, um ihre Gepflogenheiten zu verstehen.«
Es entstand eine Pause. »Warum haben sie die ganze Geschichte ausgegraben?« Ihre Augen waren wachsam und verbargen eine große Unruhe. Drei Monate bevor er und Elsa heiraten wollten, hatte GIC ihn entlassen, und dieser unerwartete Rückschlag, das wusste er, ging ihr seitdem nicht mehr aus dem Kopf, als könnte sich so etwas irgendwann wiederholen; doch ungeachtet dessen sah er den Unmut in ihren Augen, weil seine Probleme nicht einfach seine Probleme bleiben konnten.
»Keine Ahnung.« Er zuckte mit den Schultern. »Ehrlich. Weil sie es können, schätze ich.«
Elsa wandte sich ab, schaute nach einem Topf auf dem Herd und rührte um, bevor sie ihn wieder zudeckte.
»Kann ich irgendwas tun?«, fragte er, während er beobachtete, wie sie die Hitze herunterdrehte. Sie schüttelte den Kopf. »Ich könnte kurz bei den Kindern reinschauen.«
»Nicht, Ben.« Sie drehte sich um und sah ihn an. »Sie schlafen schon.«
»Ich werfe nur einen Blick durch den Türspalt.«
»Du wirst sie wecken.«
»Nein.« Er stellte seinen Drink ab und ging Richtung Küchentür.
»Ben. Lass sie. Bitte. Es hat ewig gedauert, sie zur Ruhe zu bringen. Ich weiß, du hattest einen schlechten Tag, aber den hatte ich auch. Die Kinder sind keine Schmusedecke. Sie brauchen ihren Schlaf.«
Kurz vor der Tür blieb er stehen, schloss die Augen und holte tief Luft, während er seine Lider zum Nasenrücken hin massierte.
»Sie sind morgen auch noch da«, sagte sie leise. »In der Zwischenzeit kannst du mir erzählen, wie besorgt ich wegen der Sache sein muss. Denn ich weiß es nicht.«
Er gab nach, machte kehrt. Er wusste, dass sie recht hatte und Angst verspürte, aber er konnte ihre Frage nicht beantworten. Vielleicht war die Sache erledigt gewesen, als er die Polizeiwache verlassen hatte; vielleicht hatte sie noch gar nicht begonnen. Hätte Senechal beim Abschied nicht diese Drohung ausgestoßen – denn wie sollte es sonst gemeint sein –, wäre er davon ausgegangen, dass er lediglich ein paar Monate den Ball flach halten und auf Reisen nach Italien verzichten sollte, aber jetzt? Er wusste es einfach nicht. Er hatte noch nicht genug Zeit gehabt, richtig darüber nachzudenken.
»Soweit ich weiß, ist alles in Ordnung. Ehrlich. Die Anschuldigungen sind lächerlich, ohne jede Grundlage. Sie haben nichts in der Hand.«
»Wie gut ist dein Anwalt?«
»Offensichtlich gut.« Das war die erste richtige Lüge.
»Und er glaubt, dass bei dir alles wieder ins Lot kommt?«
»Er glaubt, dass sich die Sache von alleine erledigen wird. Denn sonst müssten die Italiener meine Auslieferung erwirken, und der Fall steht auf wackligen Beinen. Das wird nicht passieren.« Er hielt inne, wartete auf eine Reaktion von ihr, dann versuchte er ein Lächeln. »Vielleicht müssen wir für eine Weile woanders in Urlaub fahren.«
Doch Elsa war nicht nach Scherzen zumute. Sie runzelte immer noch die Stirn, und ihre Augen waren von einem Funkeln erfüllt, das er nur allzu gut kannte.
»Was hast du da unten gemacht?«,
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