Die Kunst, frei zu sein
Ende über die wunderbare Lösung, die er gefunden hat.
Von den Supermärkten hören wir dauernd in Form einer hypnotischen Werbung, wie großartig sie seien, und wir schenken ihnen Glauben. Nicht einmal Heinrich VIII., der die Nation ausplünderte, betrieb eine Werbekampagne, um dem Volk zu versichern, wie außergewöhnlich er sei. Weder Cobbett selbst noch Morris, noch Ruskin hätten sich die Gräuel der Supermarktkultur vorstellen können. In unserer Nähe in Devon gibt es eine hervorragende Gemüsefarm namens Riverford, von der wir jede Woche eine Kiste mit Gemüse, Obst, Milch und Eiern – alles von höchster Qualität – beziehen. Guy Watson, der Riverford leitet, erzählte von einem Kontakt mit einem der großen Supermärkte, den er beliefern wollte. Er bekam einen Termin für einen Freitag. Watson rief an und bat, den Termin auf den Donnerstag vorzuziehen, da er am Freitag auf seinem Hof sein müsse. Die Verbindung brach ab. Watson rief erneut an und sagte: »Ich glaube, wir hatten eine Störung.« »Hören Sie zu«, erwiderte die Stimme am anderen Ende, »Sie sprechen mit Sainsbury. Wenn wir etwas sagen, haben Sie zu springen.« Watson schwor sich an jenem Tag, nie wieder zu versuchen, mit einem Supermarkt ins Geschäft zu kommen. Hier sind einige Fakten über Tesco:
Vorsteuergewinn 2004–2005: 2,03 Milliarden Pfund
Zahl der Niederlassungen im Vereinigten Königreich: 1779
Zahl der Beschäftigten im Vereinigten Königreich: 251000 (zweimal so viele Menschen wie in der Armee dienen)
Marktkapitalisierung: 24,7 Milliarden Pfund
Bankkonten bei Tesco: 4,9 Millionen
Gehalt des Vorstandsvorsitzenden: 2,97 Millionen Pfund
Prozentsatz der Bevölkerung des Vereinigten Königreichs, die jeden Monat bei Tesco einkauft: 66
Tesco ist allgegenwärtig, allmächtig, allesfressend und – durch sein Kundenkartensystem, das jeden Einkauf aufzeichnet – allwissend. Der mittelalterliche Klerus war harmlos im Vergleich zu Tesco. Vor einiger Zeit druckte die satirische Zeitschrift Private Eye eine Karikatur, in welcher der Weg zu einem Geschäft beschrieben wurde: »Sie finden uns auf der High Street, zwischen Tesco und Tesco.«
Im Vereinigten Königreich nimmt Tesco ein Drittel der für Lebensmittel aufgewendeten Beträge ein. Die Armen arbeiten für das Unternehmen und geben dann ihr Geld wieder dort aus. Wir rackern uns den ganzen Tag ab, um unseren Lohn nach der Arbeit an der Kasse der Supermärkte wieder zurück ins System einzuspeisen. Damit müssen wir sofort aufhören! Sind wir Schafe? Haben wir die Losung »Small is beautiful« vergessen? Hat Schumacher nie existiert? Wie konnten wir diese Situation zulassen?
Als Erstes müssen wir unsere Komplizenschaft bei der Schaffung der heutigen Abhängigkeit einräumen. Dadurch, dass wir in den letzten zwanzig Jahren in den Supermärkten eingekauft und ihre Versicherungspolicen erworben haben sowie auf ihre endlosen Betrügereien hereingefallen sind, ist ihnen eine enorme Macht zugewachsen, die sie nun gründlich missbrauchen. Das Supermarktsystem versklavt uns, denn es wird allein durch unaufhörlich steigende Gewinne motiviert, und seine amoralischen Aktionäre haben ausschließlich Interesse am Wachstum, um ihre Anteile zu einem höheren Kurs veräußern zu können. Felicity Lawrence, Autorin von Not on the Lable: What Really Goes into the Food on Your Plate * , zitiert den Direktor der ökologisch ausgerichteten Soil Association zur Dynamik der Supermärkte:
Es handelt sich weniger um eine Lebensmittelkette als um eine Kette der Furcht. Die Geschäftsführer der Supermärkte haben Angst, ihren Marktanteil zu verlieren und ihren Aktionären kein endloses Wachstum mehr bieten zu können. Der Einkäufer des Supermarktes hat Angst, seine Vorgaben nicht zu erreichen, und will stets billig einkaufen und teuer verkaufen; der Lieferant hat die tödliche Angst, dass seine Waren abgelehnt werden oder dass der Preis unter die Produktionskosten sinkt. Wie erneuert man das Vertrauen zu einer Kette, die von aggressiven Akteuren und Praktiken beherrscht wird? Dies ist die Folge des doppelten Drucks von Globalisierung und Machtkonzentration. Die Krise betrifft jeden Bauern im Land.
Von der Qual, in Supermärkten einzukaufen, gar nicht zu reden. Mein Freund Gordon spricht von Stressco und Strainsbury * . Hunderte von Menschen schieben ihren einsamen Wagen Seite an Seite durch die Gänge – in völliger Isolation, ohne ein Wort miteinander zu wechseln. Und dann die traurigen,
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