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Die Kunst, frei zu sein

Die Kunst, frei zu sein

Titel: Die Kunst, frei zu sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Hodgkinson
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akzeptieren. Das ist leichter gesagt als getan, doch ein Missgeschick kann als Abenteuer empfunden werden, wenn man seinen zu strikten Stundenplan aufgibt. Zwischenfälle unterbrechen außerdem die Routine. Vor kurzem hatte mein Lieferwagen auf der Fahrt zum Bahnhof eine Panne. Ich kam zwar zu spät nach London, aber dafür genoss ich eine unerwartete Bummelei, während ich auf den Mann vom Automobilclub wartete. Das Leben innerhalb der Uhr-Zeit scheint auch das Leben in der Gegenwart zu verhindern, weil wir uns immer über das sorgen, was in der Zukunft zu tun ist, statt den konkreten Moment zu nutzen. Wir müssen die Kaufmannszeit aufgeben und uns wieder in der natürlichen Zeit bewegen. Lebe den Jahreszeiten entsprechend, genieße die sich dehnende Zeit. Verschwende sie nicht mehr auf sinnloses Streben, Fernsehen und Arbeit. Lass die Dinge geschehen, und sie werden geschehen. Zeit ist kostenlos, und wir sollten auf den Ausdruck »Freizeit« verzichten, weil er das Gegenteil, nämlich »Sklavenzeit«, impliziert. Zeit ist ein Gottesgeschenk, und wer behauptet, sie sei das Gleiche wie Geld, begeht eine Sünde. Also entferne die Uhr von deinem Handgelenk, schleudere sie in den Fluss und tanze, endlich frei, durch die Straße.
    SCHMEISS DEINE UHR
AUF DEN MÜLL

8
    Hör auf mit dem Konkurrenzkampf
    Die Prinzipien des mittelalterlichen Handels
waren bekanntermaßen Kameradschaft und Gerechtigkeit,
während die Prinzipien des modernen Handels
erklärtermaßen Konkurrenz und Gier sind.
G. K. Chesterton, William Cobbett, 1926
    Seit Darwin, dessen Theorien in einer von Konkurrenz bestimmten Epoche der europäischen Geschichte entstanden, sind wir uns als Gesellschaft weitgehend darin einig, dass Fortschritt aus Wettbewerb hervorgeht. Die Regel vom »Überleben des Tüchtigsten« gilt seit langem und hat sich nicht nur als biologische Theorie, sondern auch im Alltagsleben durchgesetzt. Wenn Bonzen in den Medien debattieren, benutzen sie die Formulierung »gesunde Konkurrenz« und setzen dabei stillschweigend voraus, dass sämtliche Zuhörer Konkurrenz wirklich für gesund halten. Natürlich ist es kein Zufall, dass Darwins Theorien – oder wenigstens eine gewisse Interpretation seiner Ausführungen – genau zu dem Zeitpunkt auftauchten, als eine Rechtfertigung für eine neue und besonders raubgierige Form des Kapitalismus benötigt wurde. Nun könnte man meinen, dass wir uns mit diesen Gedanken abfinden müssen. Das Wettbewerbsprinzip hat sich im Geschäftsleben durchgesetzt, und es beherrscht das Ausbildungswesen. Durch das Geschwätz der Regierung von »Zielen« ist es sogar Teil der Gesundheitsversorgung und des öffentlichen Verkehrs geworden. Angestellte werden innerhalb ihrer Unternehmen ermutigt, miteinander zu konkurrieren. Die Vorstellung hat sich tief in unserem Bewusstsein eingenistet.
    Theoretisch führt Wettbewerb zu einer hohen Warenqualität und zu vernünftigen Preisen. Aber die Wirklichkeit sieht ganz anders aus: Ungezügelte Konkurrenz, das heißt kommerzieller Krieg und die damit zusammenhängende endlose Expansion, lässt unvermeidlich Monopole entstehen, denn ein gigantisches Unternehmen schluckt allmählich alle gescheiterten Konkurrenten. Ein Beispiel ist der verblüffende Aufstieg von Tesco, der allwissenden, allgegenwärtigen britischen Supermarktkette, die Gemeinschaften zerstört und lokale Läden durch gnadenlose Preiskämpfe zur Schließung gezwungen hat. Auf diese Weise wird Geld aus den Gemeinden gesogen und in die Taschen der Aktionäre geleitet. Und die Unternehmen sind sogar stolz darauf. Ich erinnere mich an zahllose Unternehmensversammlungen, auf denen immer wieder jemand einwarf: »Schließlich sind wir kein Wohltätigkeitsverein«, was ein allgemeines beifälliges Murmeln auslöste.
    Das Aktionärssystem wirkt sich auch negativ auf die Qualität aus, denn die reine Quantität – höhere Verkaufszahlen – wird zum wichtigsten Faktor. In Wirklichkeit tötet Konkurrenz die Vielfalt ab. Sie führt zur Entstehung von Riesenkonzernen mit rackernden Leibeigenen auf den unteren Stufen und leuchtenden Senkrechtstartern an der Spitze. Sie führt zu Ladenketten, welche die Einzelläden verschwinden lassen. Sie führt zu dem Phänomen der Klonstädte, die sich weitgehend gleichen, und zur Starbucksisierung der Welt, durch die sich jeder Freiheitsgedanke auf die Frage reduziert, ob man sich für einen Cappuccino oder einen Mocca latte entscheiden soll. Konkurrenz ist ein Feind der Freiheit und

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