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Die Kunst, frei zu sein

Die Kunst, frei zu sein

Titel: Die Kunst, frei zu sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Hodgkinson
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Nebel, der nur im Geist oder durch allgemeine Verblendung existiert. Zu Hause greifbare, reale Dinge herzustellen ist eine wirkungsvolle Methode, sich den Überlegungen über das unmöglich abstrakte Wesen des Geldes zu entziehen. Um den Kreislauf von Arbeit – Ausgaben – Schulden – Arbeit zu durchbrechen, musst du einfach aufhören zu konsumieren und anfangen, Dinge zu erschaffen. Das Geldsystem hat in unserem Innern eine Spaltung zwischen Produzent und Konsument hervorgebracht.JedenTag werden die Durchschnittsmenschen in der Geschäftswelt als »Konsumenten« bezeichnet, was ein schrecklich habgieriges Wort ist. Man denke an die andere Bedeutung von »Konsumtion«, eine tödliche Krankheit romantischer Dichter, die den Körper verzehrte, bis er starb, nachdem er erschöpft, entleert, aufgebraucht, entwässert worden war. Ein Konsument entleert die Welt, isst sie auf, stopft sie sich ins Gesicht, lässt sie verdorren, trocknet ihre Quellen aus, baut all ihre Reichtümer ab – kurz, er tötet sie. Aber der Schöpfer oder Produzent stellt das genaue Gegenteil dazu dar.
    Wir sollten darauf abzielen, einige der Dinge, die wir verbrauchen, selbst zu produzieren. Ein vergnüglicher Tipp, den ich bereits erwähnt habe und auf den ich noch weiter eingehen werde, ist der, einen Teil des selbst benötigten Gemüses und Obstes anzubauen. Dadurch wird die Spaltung zwischen Produzent und Konsument aufgehoben, und man wird wieder zu einem Ganzen. Das dürfte den intensiven Genuss erklären, den jeder empfindet, der seine eigenen Karotten oder Rettiche aus dem Boden zieht. Es scheint etwas zu sein, zu dem wir bestimmt sind – ein Akt radikaler Integration. Ich plane, eine Zeitschrift für den anarchischen Gärtner herauszugeben. Sie wird den Titel The Radish (Der Rettich) tragen, und darin werden wir praktische Ratschläge zum biologischen Anbau von Gemüse mit der Entwicklung einer radikalen politischen Philosophie verbinden. Wir werden im Wortsinne radikal sein, denn radish und Rettich kommen natürlich vom lateinischen radix, »Wurzel«.
    Vor allem müssen wir, um frei von Schulden zu sein, unsere Furcht vor der Armut ablegen. Ich befürworte kein wahres Elend, das heißt Obdachlosigkeit und Hunger. Aber edle Armut, bei der man über das Lebensnotwendige verfügt, seine Wünsche und Begierden jedoch einschränkt, ist ein lobenswerter Zustand. Im Mittelalter galt es sogar als verdienstvoll, arm zu sein. Die Armen bildeten einen wichtigen Teil der Gesellschaft. Schließlich waren auch Jesus und die Apostel mittellos gewesen, und die Bettelmönchsorden strebten danach, das apostolische Leben nachzuahmen. Der katholische Hochschullehrer George O’Brien verweist in seinem Essay »Economic Effects of the Reformation« (1923) auf das Beispiel der umherziehenden heiligen Männer:
    … sogar dem Betteln wurde durch das Beispiel der Bettelmönche Würde verliehen. Europa war mit Institutionen zur Linderung jeglicher Form von Armut und Leid übersät, und die Mittel der klösterlichen Einrichtungen wurden durch private Almosen ergänzt, deren Spende man den Besitzern von Eigentum als strikte Pflicht auferlegte. Die Reformation entzog den Armen durch ihren Angriff auf die kirchlichen Grundlagen die erstere jener Formen der Fürsorge und schränkte die letztere durch ihr Beharren auf der Rechtfertigungsdoktrin allein durch den Glauben erheblich ein.
    Arme Menschen wurden willkommen geheißen, schon weil sie anderen Gelegenheit boten, Almosen zu spenden, was im Mittelalter als religiöse und soziale Pflicht angesehen wurde. Wohltätigkeit stand im Mittelpunkt des Bemühens um Erlösung. Außerdem setzte jemand, der nicht mehr nach Gewinn strebte, seinen gesamten Glauben, wie oben erwähnt, in die Vorsehung. Man bemitleidete die Armen nicht, sondern blickte fast zu ihnen auf. In den Augen Gottes war es genauso gut, arm wie reich zu sein, vielleicht sogar besser. Heilige machten ihre Armut zur Tugend. Heutzutage begehen wir den Fehler anzunehmen, dass die Armen reich sein wollen. Wir haben Mitleid mit den Armen und Obdachlosen und setzen voraus, dass sie sich dem erbarmungslosen Kampf um Gewinn anschließen und selbst zu Angehörigen der Bourgeoisie werden möchten. Das ist vielleicht gar nicht der Fall. Und möglicherweise wollen auch die so genannten armen Länder der Welt gar nicht zu einem Teil des bourgeoisen Systems werden.
    O’Brien fährt fort:
    Das bedauerlichste Ergebnis des Übergangs vom mittelalterlichen zum modernen

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