Die Kunst, frei zu sein
Knechtendes verwandelt und ist mit einer unglaublichen Verschwendung verbunden: Unlängst hörte ich eine Rundfunksendung über den Handel mit gebrauchter westlicher Kleidung in Sambia. Für die Sambier war es unvorstellbar, dass wir diese Sachen, alle noch gut in Schuss, weggeworfen hatten, und sie vermuteten, wir hätten die Kleidung aus karitativen Gründen hergegeben. Dabei ist Einkaufen als Voraussetzung für unsere Verschwendung so dröge. Ich würde lieber einen trinken.
Es scheint auf der Hand zu liegen, dass wir, könnten wir unsere Konsumsucht zügeln und aufhören einzukaufen, der alltäglichen Freiheit viel näher kommen würden, einfach weil wir dann weniger arbeiten müssten. Das soll nicht bedeuten, dass man sich nicht an Luxusartikeln erfreuen kann, aber wir sollten sie nicht ernst nehmen und zu unserem Lebensziel machen. Verleih dem Luxus keinen Sinn.
Der griechische Philosoph und Genussmensch Aristippus war bekannt für seine Distanz zu den Dingen. Er gab sich seinen Freuden dort hin, wo er sie fand, und hetzte ihnen nicht hinterher. Aristippus jagte nicht, sondern er sammelte. Er war einer jener glücklichen Menschen, die sich in einer Hütte genauso wohlfühlen wie in einem Schloss. Frei von Wünschen zu sein heißt nicht, allen Genuss aufzugeben und zu einem verdrossenen Eremiten zu werden. Vor einiger Zeit, als ich einen Vortrag über den kreativen Müßiggang hielt, wurde ich gefragt, ob ich gegen das Fernsehen sei. Ich muss zugeben, dass ich mich ein wenig ärgere, wenn meine Kinder an einem sonnigen Tag vor der Glotze sitzen. Doch steht es mir zu, eine Quelle des Genusses aus dem Leben anderer zu entfernen? Mir schwebt keine Polizei für Müßiggänger vor, die überall im Land den Fernsehstecker herauszieht und den Menschen befiehlt, stattdessen zur Ukulele oder zum Spaten zu greifen. Das Fernsehen hat einige großartige Werke hervorgebracht, und eine Welt ohne Fernsehgerät wäre eine Welt ohne die Simpsons. Trotzdem habe ich gerade bei Sky TV angerufen und unser Abonnement abbestellt, wobei ich das Gefühl hatte, den Mann wirklich in die Pfanne zu hauen. Warum sollen wir dafür zahlen, dass all die Reklame und all die kapitalistische Propaganda in unser Haus gestrahlt werden? Nun werden wir 250 Pfund pro Jahr sparen und uns DVDs anschauen.
Entscheidend ist nicht, dass man alle Genüsse aufgibt, sondern dass man die Herrschaft über sie behält. In unserer absonderlichen Welt scheinen wir in Sachen Vergnügen zwischen Übertreibung und Enthaltsamkeit zu schwanken. Die Anonymen Alkoholiker predigen totale Abstinenz als einzige Lösung für Suchtprobleme. Dieses Ziel wird durch die Teilnahme an einer endlosen Reihe von Treffen, durch Team-Bildungen und das ständige Aufsagen der AA-Regeln erreicht. Aber ich empfinde die Sache als zu anstrengend, und die AA-Philosophie räumt ein, dass man das Verlangen nach Alkohol nie überwindet. Gibt es keine andere Methode, mit solchen Problemen fertig zu werden? AA-Vertreter meinen, ein Gläschen sei eines zu viel und tausend seien nicht genug, aber könnte es nicht eine Organisation geben, die sich für mäßiges Trinken einsetzt? Wenn ich jeden Tag auf einem Treffen meinen Getränkekonsum vom Vorabend beichten müsste, würde ich mich gewiss einschränken. Der Zyklus der Übertreibung und der Enthaltsamkeit ist vielleicht nicht so eng mit der menschlichen Wesensart verbunden, wie wir glauben. Ist es nicht möglich, dass wir ermuntert werden, zu übertreiben und enthaltsam zu sein, weil dies die doppelte Funktion erfüllt, Bargeld ins System fließen zu lassen (Übertreibung) und uns durch Selbstgeißelung und Schuldbewusstsein (Enthaltsamkeit) gefügig zu machen?
Es ist wichtig, zwischen den realen, physischen Genüssen, wie sie etwa durch Speisen und Getränke erzeugt werden, und der bloßen Verheißung von Genüssen zu unterscheiden, die durch die Werbung für Massenartikel vermittelt wird. Wir begehren Dinge, wir sind mit Dingen verbunden, wir glauben, dass Dinge uns besser machen werden. Dieser Prozess dient der Verzögerung des Verlangens, die eines der Merkmale – mehr noch: ein Motor – des Großkapitalismus ist. Das Verlangen nach Dingen produziert eine rastlose Sehnsucht, die uns in die Welt und zu unseren Plänen der Selbstverbesserung hinausführt. Natürlich wohnt Dingen ein Enttäuschungsfaktor inne. Ich kann mich noch an das flaue Gefühl im Magen erinnern, wenn ich als Junge ein Spielzeug geschenkt bekam, das den durch die teure
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