Die Kunst, kein Egoist zu sein - Precht, R: Kunst, kein Egoist zu sein
mit den anderen immer schneller die Ressourcen des Planeten und verfuttern im Eiltempo das Erbe künftiger Generationen. Und das alles, um Dinge zu produzieren, die wir vielfach nicht brauchen und die unser Glück nicht mehren, manchmal sogar behindern oder verkleinern.
Auch viele Politiker würden dem zustimmen, um sich Stunden später mit neuen Wachstumsprogrammen zu befassen. Jetzt müssen dringende aktuelle Wirtschaftsprobleme gelöst werden. Für das große Ganze ist keine Zeit. Wenn es um die Zukunft von Opel geht, muss das Klima warten. Immerhin steht etwas viel Wichtigeres auf dem Spiel: Arbeitsplätze und damit Wählerstimmen! Und so dreht sich, wie Leggewie und Welzer schreiben, alles um einen »altindustriellen Komplex« statt um die Zukunft. Besonders eklatant ist dies bei der Automobilindustrie, die »in Zukunft gar nicht mehr die Rolle spielen darf, die sie in der Vergangenheit einmal hatte. Wer die Automobilindustrie päppelt (und dann auch noch mit so unsinnigen Maßnahmen wie mit einer Verschrottungsprämie), gibt für Überlebtes Geld aus, das für die Gestaltung einer besseren Zukunft nicht mehr verfügbar ist. Solche Rettungspläne folgen der Auto-Suggestion, eine Welt mit mehr als neun Milliarden Bewohnern könnte so aussehen wie Europa heute, mit achtspurigen Straßen und ausufernden Parkplätzen.« 10
Niemand in der industriellen Welt ist der Zukunft juristisch ernsthaft verpflichtet. Wie am Beispiel der Katastrophe im Golf von Mexiko ersichtlich, dürfen wir Öl im Meer fördern, obwohl
wir im Schadensfall keine Mittel haben, um ein Desaster aufzufangen, geschweige denn die Schäden zu beheben. Das Gleiche gilt für Tanker, für Kernkraftwerke und vieles mehr. Warum besteht unsere Gesellschaft nicht darauf, dass wir nur diejenigen Ressourcen ausbeuten dürfen, bei denen wir dem Schadensfall auch gewachsen sind? Keine Versicherung haftet weltweit für Kernkraftwerke, weil sie den Katastrophenfall nicht bezahlen könnte. Die Bevölkerung dagegen müsste ihn bezahlen, und das nicht nur mit Geld.
Die Gesellschaften der Industriestaaten stehen heute vor der größten Herausforderung ihrer Geschichte. Unsere Art zu wirtschaften ist auf dreifache Weise an ihre Grenzen gestoßen. Erstens bekommt der Westen global immer mehr Konkurrenz im Kampf um die Märkte und die Ressourcen. Der Kuchen wird kleiner, die Mitesser werden mehr. Zweitens wächst der ökologische Schaden, den wir für unseren Wachstumswahn anrichten, so erschreckend an, dass nachfolgende Generationen mit kaum etwas anderem so zu kämpfen haben werden wie mit Überlebensstrategien und Reparaturen. Und drittens macht uns die ganze Veranstaltung nicht glücklicher, sondern gebiert sogar immer mehr Unzufriedenheit.
Wenn es richtig ist, dass weiteres Wachstum in den westlichen OECD-Ländern das Glück nicht weiter mehrt, warum ist es dann gleichwohl so schwierig, den Kurs zu wechseln und umzulenken? Warum lassen wir im Namen des Wachstums Exzesse zu wie einen moralischen Verfall in der Wirtschaftswelt? Und warum gehen unsere Banken finanzielle Risiken ein, die sie für unser allgemeines Glück eigentlich gar nicht eingehen müssten?
• Mythen, Märkte, Wirtschaftsmenschen. Was die Wirtschaft antreibt …
Die Rückfahrt nach Freiburg
… und was sie antreiben sollte
Als die Geschäfte zu unübersichtlich geworden waren, die Transaktionen so global, dass sich ein Großteil in einem annähernd rechtsfreien Raum abspielte, das Führungspersonal die Bodenhaftung und den Anstand verlor und keiner keinem mehr traute, brach das ganze System zusammen. Den Scherbenhaufen aus Misswirtschaft, undurchsichtigen Geschäften, korrupten Machenschaften, unverantwortlichen Risiken und Fehlspekulation aber bekam der Staat vor die Füße gelegt. Alles noch Übriggebliebene wurde verstaatlicht, und die Schulden wurden Nationalschulden. Am Ende haftete der Steuerzahler.
Die Rede ist von der Niederländischen Ostindien-Kompanie (VOC), der ersten Aktiengesellschaft der Geschichte und dem alles dominierenden Global Player des 17. und 18. Jahrhunderts. 1 Im Jahr 1602 gegründet, verfolgte sie eine ganz neue Strategie, um aus Konkurrenz Kooperation zu machen. Statt sich weiter zu bekämpfen, beschlossen mehrere niederländische Handelshäuser zusammenzuarbeiten. Für jedes einzelne von ihnen war das Geschäftsfeld, der Handel mit Gewürzen aus Indonesien, Indien und dem Fernen Osten, zu kostspielig und riskant. Zusammen aber liefen sie innerhalb
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