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Die Kunst, kein Egoist zu sein - Precht, R: Kunst, kein Egoist zu sein

Titel: Die Kunst, kein Egoist zu sein - Precht, R: Kunst, kein Egoist zu sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard David Precht
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Egoismus, die jeden von uns kennzeichnet, die Motive des harten Egoismus unterstellt. Doch dass alles, was ich tue, mir irgendeinen Nutzen bringen soll, heißt noch lange nicht, dass es damit unweigerlich gegen andere gerichtet ist! Nicht jede Entscheidung, meine Freunde sehen zu wollen oder ins Kino zu gehen, folgt den Gesetzen des »Kampfes ums Dasein« oder des survival of the fittest. Einen Nutzen von etwas zu haben oder sich Vorteile gegenüber anderen zu verschaffen sind zwei völlig verschiedene Dinge, die sich im Leben nur gelegentlich überlappen.
    Schon vor mehr als hundert Jahren erkannte der scharfsichtige Berliner Philosoph Georg Simmel (1858-1918) die Schwachstelle jener Biologen, die die Menschennatur als rücksichtslos und grausam beschrieben: »Es gibt nur wenige Begriffe, mit denen so viel Missbrauch getrieben, so viel Scheinerkenntnis hervorgerufen ist wie mit dem des ›Natürlichen‹. Kein Mensch weiß zu bestimmen, was damit eigentlich gesagt werden soll, dass der Egoismus ein natürlicher Trieb und der Altruismus etwas anderes ist.« 6 Für Simmel gibt es eigentlich nur zwei Möglichkeiten. Entweder ist alles am Menschen Natur, dann entspringen Egoismus und Altruismus untrennbar aus der gleichen Wurzel. Oder ich definiere alles menschliche Tun als Produkt des Bewusstseins. In diesem Fall wäre der Egoismus genauso Kultur wie der Altruismus. Dass eines von beiden »eigentlicher« sein soll als das andere, sei Unsinn.
    Böse und Gut, Egoismus und Altruismus lassen sich nicht nach Natur und Kultur trennen! Wäre dies möglich, so wären die kultiviertesten Menschen notwendig auch die charakterlich
edelsten. Und die ungebildeten, einfachen Menschen die böseren. Ein kurzer Blick ins Leben und ein flüchtiger Seitenblick auf die gebildeten Philologen und Menschenschlächter Dr. Joseph Goebbels und Dr. Radovan Karadzic belehren uns schnell eines Besseren.
    Ein Fazit? Unser egoistisches Handeln ist ein Teil unserer Natur. Unser altruistisches auch. Ebenso ist beides ein Teil unserer Kultur. 7 Des Weiteren gilt: Egoismus ist nicht immer schlecht. Und Altruismus ist nicht immer gut. Wie viel Gutes kommt in die Welt, motiviert möglicherweise nur durch die Eitelkeit der Wohltäter? Wie viel Böses geschieht im Namen einer guten, edlen Absicht? Und wie will man die Motive überhaupt genau feststellen und unterscheiden? Wer weiß von seinen eigenen Absichten zu sagen, dass man sie immer genau durchschaut und auf gut und böse hinreichend überprüft hat? Auch hier leistete Georg Simmel eine präzise Vorarbeit, indem er schrieb: »Sehr erschwert wird die Entscheidung, ob Egoismus oder Altruismus vorliegt, oft dadurch, dass das Bewusstsein des Handelnden selbst nicht die richtige Auskunft über seine Motive zu geben vermag. Es gibt genug unklare Menschen, die in der Meinung, dass Güte eine Schwäche sei, egoistisch zu handeln glauben, während sie unbewusst von lauter Motiven der Gutmütigkeit und des Altruismus bestimmt werden; andere, die, um ihren fundamentalen Egoismus nicht nur vor anderen, sondern auch vor sich selbst zu verbergen, ihm auf altruistischen Umwegen genügen.« 8
    Für edle und niedere Absichten gibt es keinen Maßstab. Wir alle haben in unserem Bekanntenkreis Menschen, die sich aus vergleichsweise harmlosen Gründen schnell moralisch schlecht fühlen und bei vielem, was sie tun, von Skrupeln erfüllt sind. Andere, die wir gewiss nicht für die besseren Menschen halten, zerbrechen sich über ihre Handlungen kaum den Kopf. Die Instanz dieser gefühlten Moralität unseres Gutseins sind wir zunächst einmal selbst.

    Menschen leben so, dass sie von all ihrem Handeln etwas haben wollen. Ein anderes Leben ist grundsätzlich nicht möglich. Doch es macht uns noch nicht zu harten Egoisten. Unser »Habenwollen« betrifft nicht nur Waren, Güter oder Vorteile im Konkurrenzkampf um Sexualpartner und Macht, sondern vor allem emotionale Qualitäten. Wichtige Werte unseres Habenwollens sind Zufriedenheit, Geborgenheit, Vertrauen, Zuneigung und Liebe.
     
    Doch wenn es tatsächlich stimmt, dass uns die Sehnsucht nach Zufriedenheit, Vertrauen oder Liebe stärker bestimmt als jeder harte Egoismus - warum sind wir selbst dann manchmal nett, wenn es uns im Auge der anderen gar keine große oder sichtbare Anerkennung bringt?
     
    • Gute Gefühle. Warum wir gerne nett sind

Gute Gefühle
    Warum wir gerne nett sind
    Es gibt ein Lebewesen auf unserem Planeten, das allen anderen überlegen ist. Ein einsames

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